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Wassermusik

Wassermusik

Titel: Wassermusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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lange mit Entkräftung und den gnadenlosen Beraubungen durch die Mauren der Wüste zu kämpfen gehabt. Obzwar sich Mansong weder Löwen an goldenen Ketten hielt, noch seine Straßen mit jenem Edelmetall gepflastert waren, boten Räumlichkeiten und Gelände des Palastes dennoch durchaus ein Bild des Überflusses. Es fanden sich dort offene Innenhöfe im iberischen Stile, sprudelnde Brunnen und exotische Gärten, bewachsen mit allen erdenklichen Früchten und Blumen. Durch eine Reihe solcher Höfe wurden wirbis ins innerste Heiligthum geführt, wo Mansong uns erwartete.
    Der Potentat, ein Mann von massigem Körperbau und fröhlichem Gemüth, saß auf einem goldenen Throne und war von seiner grimmigen Elitewache umgeben, wilden Männern mit der Statur von Rennpferden, die Allesamt wohl weit über die zwei Meter maßen. Ich huldigte ihm mit einer Verbeugung und bot ihm sodann die Geschenke dar, die ich aus England mit mir geführt. Unter Jenen schien er vom Portrait seines Pendants auf der anderen Seite der Welt, unseres Sohnes aus dem Hause Hannover, Seiner Majestät König Georg   III., wohl am stärksten beeindruckt. Gar lange betrachtete er Antlitz und Gestalt jenes erlauchten Monarchen, und seine eigenen Züge erhellten sich darob gleichfalls mit dem Funkeln der Aufklärung.
    Nachdem er mir überschwenglichen Dank gezollt, machte Mansong mir sodann ein gar freigiebiges Gegengeschenk, wobei er seiner vom Herzen kommenden Hoffnung Ausdruck gab, es möge mir bei meinem Streben nach Erkenntniß von Nutzen sein. Er erhob sich majestätisch, umarmte mich gleich einem Verlornen Sohn und reichte mir einen ledernen Beutel, der prall gefüllt war mit Kaurimuscheln – über fünfzig Tausend insgesamt. Man stelle sich meine Dankbarkeit vor ob einer derart selbstlosen Geste seitens dieses uncivilisirten, doch wahrhaftigen Prinzen des Dschungels, der mir damit ein kleines Vermögen überlassen – ein Vermögen, das mir gestatten würde, meinen Weg flußaufwärts gen Timbuktu fortzuführen, und von jenem Orte noch weiter gar, bis zum Endpunkte des mächtigen Niger!
    Wohl drängte er uns zu bleiben, indem er uns die allerfürstlichste Unterbringung sowie ein Festmahl von Backwaren, Gesottenem und einheimischen Delicatessenin Aussicht stellte, das seine Dienerschaft bereits im Wissen unseres Kommens bereitet, doch waren wir zuvörderst bedacht, unsere Reise alsbald fortzusetzen, und so nahmen wir Abschied noch an demselben Abend, nachdem wir einen festen Handschlag und einen ceremoniellen Schluck getheilt   …

FÜRSTLICHER DANK
    «Aber das ist doch hanebüchenster Quatsch», sagt Johnson und gibt dem Entdeckungsreisenden den Zettel zurück. «Völlig verzerrt und erlogen. So ziemlich das einzige, was davon stimmt, sind die Zwei-Meter-Wachen. Und das Cash.»
    Mungo reitet stumm weiter, doch seine Oberlippe zuckt in einem etwas arroganten Lächeln. Er und Johnson haben eben die letzte windschiefe Hütte von Segou hinter sich gelassen. Sie sind auf dem Weg nach Kabba, vier Meilen flußabwärts, wo sie Lebensmittel und ein Bett für die Nacht zu erstehen gedenken, um von dort aus dann nach Sansanding zu gelangen, einer maurischen Handelsniederlassung auf der Straße nach Timbuktu.
    Über ihnen brütet die Unermeßlichkeit des Urwalds, seine dichte, schwere Wölbung umschließt sie wie ein Handschuh. Riesenhafte triefende Blätter hängen über dem Pfad wie nasse Mäntel an einer Garderobe, und ein Gestank nach Verwesung, Morast, kriechender Hitze und Fäulnis liegt in der Luft. Verborgene Untiere huschen bei ihrem Näherkommen ins Dickicht davon. Ein Baumschliefer kreischt auf seinem Aussichtspunkt, Leoparden knurren. Allmählich wird es dunkel.
    Der Entdeckungsreisende dreht sich im Sattel zu Johnson um. «Genau», erwidert er, wobei er den Zettel zusammenfaltet und unter das Hutband klemmt. «Kannst du dir vorstellen, wie unglaublich öde das wäre, wenn ich michimmer nur an die nackten, kahlen Fakten hielte – ohne jeden Anflug von Ausschmückung? Die braven Bürger von London und Edinburgh wollen nichts von Elend und Niedertracht und siebenunddreißig aufgeschlitzten Sklaven lesen, mein Bester – ihr Leben ist auch so schon erbärmlich genug. Nein, die wollen von Prächtigkeit hören, ein bißchen was Exotisches und Ausgefallenes. Und was schadet es, wenn man ihnen das verschafft?»
    Johnson lenkt seinen Esel in Schlangenlinien, schiebt Blätter und Zweige aus dem Weg, so wie ein Schwimmer die Wellen teilt. Er schüttelt den

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