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Wasserwelten

Wasserwelten

Titel: Wasserwelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Lenz
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gerudert«, sagte Lorenz. »Ich fange an.«
    »Ich werde rudern«, sagte Tadeusz. »Is mein Schwager, wo uns hat sitzenlassen, darum werde ich rudern. Nachher können wir uns ablösen.«
    »Streng dich nicht zu sehr an, Tadeusz. Wer weiß, wozu wir unsere Kraft noch brauchen werden. Es genügt, wenn wir das Boot halten und nicht allzuweit abgetrieben werden.«
    »Schweden hat eine lange Küste«, sagte der Professor. »Hoffentlich ist der Wind derselben Ansicht«, sagte Lorenz.
    Tadeusz ruderte bis zur Dämmerung, dann wurde die See unruhiger, und er mußte in den Wind drehen und konnte das Boot nur noch mit kurzen Schlägen auf der Stelle halten. Das Boot tauchte tief mit dem Bug ein, wenn eine Welle unter ihm hindurchgelaufen war, nahm Wasser über, schüttelte sich und glitt wie ein Schlitten den Wellenhügel hinab, bis die nächste Welle es abfing und emportrug. Der Professor kramte aus seinem Rucksack eine Konservendose heraus, entleerte sie und fing an, Wasser zu schöpfen, das schwappend, in trägem Rhythmus über die Bodenbretter hinwegspülte. Das Wasser funkelte, wo der Bug es zerspellte. Weiter entfernt leuchteten die zerrissenen Schaumkronen in der Dunkelheit.
    Obwohl er ruderte, trug Tadeusz seine Joppe mit dem Fischgrätenmuster, Lorenz hatte seinen Pullover angezogen, und der Professor hatte sich den Umhang übergelegt, während er Wasser schöpfte. Die Konservendose fuhr kratzend, mit blechernem Geräusch über die Bodenbretter, plumpsend fiel das Wasser zurück in die See, mit einem dunklen, gurgelnden Laut. »Es regnet«, sagte der Professor plötzlich. »Ich habe die ersten Tropfen abbekommen.«
    »Dann werde ich rudern«, sagte Lorenz. »Komm, Tadeusz, laß mich vorbei.«
    Er erhob sich, der Wind traf sie mit einem Stoß wie ein Faustschlag, und Lorenz und Tadeusz griffen nacheinander und preßten ihre Körper zusammen, um das Schwanken des Bootes aufzufangen; zitternd standen sie nebeneinander, duckten sich, schoben sich gespannt und langsam, und ohne den Griff in der Kleidung des andern zu lösen, aneinander vorbei, und erst als sie beide saßen, Tadeusz im Heck und Lorenz auf der Ducht, lösten sie sich aus der Umklammerung. Lorenz legte sich in die Riemen, sein Körper hob sich so weit, daß sein Gesäß nicht mehr die Ducht berührte: stemmend, in schräger Haltung, als sei er an keine Schwerkraft gebunden, so machte er einige wilde Schläge, um das Boot, das querzuschlagen drohte, wieder mit dem Bug gegen die See zu bringen. Es war dunkel.
    »Eh, Professor«, rief Lorenz.
    »Ja? Ja, was ist?«
    »Sie sollten versuchen, zu schlafen.«
    »Jetzt?«
    »Sie müssen es versuchen. Einer von uns muß frisch bleiben, für alle Fälle.«
    »Gut«, sagte der Professor, »ich werde es versuchen.«
    Er zog den Umhang über seinen Kopf, streckte die Beine aus und legte die Wange gegen seinen Rucksack. Er spürte, wie sich das Schwanken des Bootes in seinem Körper fortsetzte; sanft rieb die Wange über den durchnäßten Stoff des Rucksacks. Der Professor schloß dieAugen, er fror. Durch seine Vermummung hörte er den Wind über die Bordkanten pfeifen. Er wußte, daß er nicht schlafen würde. Tadeusz schöpfte mit der Konservendose Wasser, sobald die Bodenbretter überspült wurden; Lorenz ruderte. Er keuchte; obwohl er jetzt saß und nur noch versuchte, den Bug des Bootes im Wind zu halten, keuchte er und verzerrte beim Zurücklegen und Ausbrechen der Riemen sein Gesicht.
    Plötzlich kroch Tadeusz bis zur mittleren Ducht vor, richtete sich zwischen Lorenz’ gespreizten Beinen halb auf und hob sein breitwangiges Gesicht und flüsterte: »Laß treiben, Lorenz, hat keinen Zweck nich. Vielleicht wir kriegen Sturm diese Nacht.«
    »Verschwinde«, sagte Lorenz.
    »Aber es wird kommen Sturm vielleicht.«
    »Es kommt kein Sturm.«
    »Und wenn?«
    »Wir können nicht zurück, Tadeusz. Wir müssen versuchen, rüberzukommen. Wenn wir es alle versuchen, schaffen wir es. Wir können jetzt nicht aufgeben.«
    »Wir können zurück und es morgen versuchen mit Kutter.«
    »Ich scheiß auf deinen Kutter«, sagte Lorenz. »Deinen Schwager mit seinem Kutter soll die Pest holen. Jetzt können wir nicht zurück.«
    »Und wenn viel Wasser kommt ins Boot?«
    »Dann wirst du schöpfen.«
    »Gut«, sagte Tadeusz.
    Er kroch wieder zurück ins Heck, kauerte sich hin,und die Konservendose fuhr kratzend über die Bodenbretter, hob sich über die Bordwand: in glimmendem Strahl plumpste das Wasser zurück in die See.
    Der Regen wurde

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