Watch Me - Blutige Spur (German Edition)
Weinen. Sie fühlte sich so elend und hilflos. Jemand hatte ihr das absichtlich angetan. Warum? Das ergab keinen Sinn. Sie war nicht lange genug in der Stadt gewesen, um irgendjemanden vor den Kopf zu stoßen.
„Gibst du mir bitte mein Vicodin?“, bat sie. „Eine große Dosis?“ Sie musste abschalten. Sie war sich des Schmerzes zu sehr bewusst, ebenso wie Cains Anwesenheit oder der Vergangenheit.
„Sheridan.“
Sie würde ihn nicht ansehen! Allein am Klang seiner Stimme merkte sie, dass er wusste, dass sie jeden Moment in Tränen auszubrechen drohte. Sie war zurück nach Whiterock gekommen, um mit der Vergangenheit abzuschließen – zumindest in dem Maße, in dem sie dazu in der Lage war. Sie schuldete es Jason, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um den Mörder vor Gericht zu bringen. Und jetzt konnte sie nichts tun und war von diesem Mann abhängig. Ausgerechnet dem Mann, der der Grund dafür gewesen war, dass Jason überhaupt am Rocky Point gewesen war. Den sie mit seinem Stiefbruder eifersüchtig machen wollte. „Was ist?“, murmelte sie.
„Ich verstehe, dass du dich elend fühlst. Aber es wird dir guttun, etwas zu essen. Anschließend kann ich dir einen schmerzstillenden Tee geben. Und eine Salbe. Sie riecht nicht gut – eigentlich ist sie für Pferde –, aber du wirst sehen, wie gut sie bei Prellungen hilft.“
Hatte er auch etwas gegen Liebeskummer? Zwölf Jahre lang hatte sie sich von Whiterock ferngehalten. Sie hatte gedacht, sie sei stark genug, um zurückzukehren. Und jetzt das …
Sie drehte sich von ihm weg. „Vergiss das Essen. Gib mir nur alles, was du an Schmerzmitteln hast.“
Er legte ihr eine Hand auf den Rücken und streichelte kurz die Haut durch den Spalt ihres Nachthemds. Er versuchte, sie zu beruhigen und zu trösten, so wie er es mit einem seiner verletzen Tiere machen würde. Sie machte sich keine Illusion, dass noch mehr hinter der Berührung stecken könnte. „Du musst etwas essen. Vom Tee wird dir übel werden, wenn du ihn auf leeren Magen trinkst.“
„Morgen esse ich etwas.“ Als sie sich bewegte, wurde der Schmerz heftiger, und sie biss die Zähne zusammen, um nicht laut aufzustöhnen, während sie sich tiefer unter der Bettdecke vergrub.
Er zog sich zurück. „Es bringt dir nichts, wenn du unkooperativ bist.“
Seine Stimme klang streng, beinahe wütend, doch das war ihr nur recht, denn das gestattete ihr, ihrerseits wütend zu werden. „Lass mich allein!“
„Nein.“ Als er die Decke zurückzog, spürte sie die kühle Luft. „Ich bin jetzt für dein Wohlergehen verantwortlich“, sagte er. Entschlossen, aber sanft, bewegte er sie in eine sitzende Position und hielt ihr Kinn fest, sodass sie ihn ansehen musste. „Und du wirst ein paar Happen essen.“
„Ich weiß nicht einmal, was ich hier überhaupt mache. Warum kümmerst du dich um mich?“
„Die Leute stehen nicht gerade Schlange, um diesen Job zu übernehmen.“
Ungeduldig wischte sie sich mit der Hand übers Kinn, bevor die Tränen auf ihre Brust fielen. „Ich habe keinen einzigen Freund hier.“
„Was ist eigentlich los?“, fragte er. „Woher kommt dein plötzlicher Stimmungsumschwung? Das bringt mich ganz durcheinander.“
„Du bist durcheinander?“
„Stimmt genau.“
Wütend starrte sie ihn an, und er starrte zurück. Wie den meisten Männern war es ihm unangenehm, sie weinen zu sehen, und er wollte irgendetwas tun, damit sie damit aufhörte. Aber sein Versuch hatte nicht funktioniert, und jetzt war er frustriert.
„Gibst du mir die Schuld für diese Geschichte?“, fragte er.
„Für den Überfall? Nein.“ Sie konnte ihn nicht dafür verantwortlich machen. Er hatte sie gerettet. Und seitdem war er so nett zu ihr. Aber sie konnte das Bild nicht vertreiben, das Owen heraufbeschworen hatte. Im Laufe der Jahre hatte sie die wenigen Momente mit Cain immer wieder wie einen abgenutzten Film vor ihrem geistigen Auge abgespielt – und es jedes Mal genossen. Zu wissen, dass Owen dabei gewesen war, ließ sie vor Entsetzen erschaudern.
„Sag mir, was sich geändert hat.“
Sie spürte, dass Cain sie zuerst instinktiv beruhigen wollte, indem er sie berührte, doch nach ihrer Reaktion vorhin schien er es sich noch einmal anders zu überlegen.
Sheridan konnte verstehen, warum seine Hunde ihm gehorchten. Sie empfand denselben Drang. Aber es war gerade sein Charisma gewesen, dieses geheimnisvolle Etwas, das ihm anhaftete, das sie schon einmal in Schwierigkeiten gebracht hatte.
Sie
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