Watch Me - Blutige Spur (German Edition)
als ich mit den Hunden gekommen bin.“
„Dann ist es ja gut, dass du sie gerade noch rechtzeitig gefunden hast.“
„Gut, dass er nicht mehr da war, als ich ankam“, murmelte Cain. „Andernfalls wäre sie nicht die Einzige gewesen, die einen Arzt gebraucht hätte.“
„Das ist genau die Sorte Kommentar, die dich in Schwierigkeiten bringen kann, großer Bruder.“
„Es braucht mehr als eine kurze Bemerkung und Indizien, um jemanden wegen Mordversuchs zu verurteilen. Welches Motiv sollte ich haben, ihr das anzutun?“
Die Frau in der Lobby stand auf und verschwand. Offensichtlich hatte sie genug gehört.
„Ned glaubt, dass sie etwas verschweigt“, erwiderte Owen. „Weil sie angeblich so viel weiß und weil das Gewehr bei dir entdeckt wurde, werden die Leute glauben, dass du sie zum Schweigen bringen wolltest.“
Alarmiert spürte Cain, wie sich seine Nackenhaare aufstellten. Sheridan hatte in der Tat etwas verschwiegen: In allen Verhören bei der Polizei hatte sie ihr kurzes Intermezzo niemals erwähnt. Cain war sich nicht sicher, warum. Wollte sie ihn schützen – oder hatte sie dabei nur an sich selbst gedacht? Sie war erst sechzehn gewesen, er siebzehneinhalb, als sie sich während dieser Party in Johnsons Wohnwagen zurückgezogen hatten. Ihre strengen religiösen Eltern hätten sie verstoßen, wenn sie gewusst hätten, was sie miteinander getrieben hatten.
„Sag mir eins“, bat Owen.
„Was?“
„Ist sie immer noch so schön?“
„Bei all den Wunden und Prellungen war das schwer zu erkennen.“
„Ich wette, sie sieht immer noch gut aus. Sie war immer wunderschön. Das hat Jason in Schwierigkeiten gebracht. Es gab keinen Jungen in der Stadt, der sie nicht haben wollte.“
Sie war Jasons Typ gewesen – angepasst, glücklich, beliebt. Warum also hatte sie ihm ihre Jungfräulichkeit geschenkt? Cain hatte keine Ahnung. Aber er wollte nicht über die Fehler nachdenken, die er gemacht hatte. Er war jung und dumm gewesen, nur zu bereit, vor der Bewunderung eines Schulmädchens zu kapitulieren. Nach jener Nacht hatte er sie nie wieder angerufen, aber nur, weil er instinktiv gewusst hatte, dass er eine Grenze überschritten hatte, als er sie angefasst hatte.
„Was mit Jason passiert ist, ist nicht ihre Schuld“, sagte er.
„Wessen Schuld ist es dann?“
Cains. Aber nicht so, wie jeder dachte. „Es war einfach ein verrückter Zufall.“
„Du meinst also, wer immer es gewesen war, hat das Gewehr in deiner Blockhütte versteckt?“
„Ehrlich, ich habe keine Ahnung, wie es dahin gekommen ist. Und überhaupt, warum sollte ich meinen …“ Zum ersten Mal seit langer Zeit verspürte Cain den Wunsch, den Unterschied deutlich zu machen. „… deinen Bruder töten?“ Jason war der Junge gewesen, den alle Eltern sich wünschen würden. Cain war das genaue Gegenteil gewesen. Er hatte Jason beneidet, aber er hätte ihm nie etwas angetan.
„Du hattest keinen Grund, aber niemand versteht dich so wie ich. Sie wissen nur, dass du ein paar … Probleme hattest. Es ist nicht gerade hilfreich, dass die Hälfte der Leute in dieser Stadt Angst davor hat, dich mit irgendeiner Frage zu belästigen, die nichts mit Tieren zu tun hat. Sie sind bereit, beinahe alles zu glauben.“
Cain hatte schon seit Jahren nicht mehr die Beherrschung verloren. Trotzdem hatte Owen recht. Die meisten Menschen traten beiseite, um ihm bloß nicht im Weg zu stehen. Selbst bestimmte Frauen hielten sich auf Distanz. Andere dagegen schien er nicht loswerden zu können. An manchen Tagen brauchte er nur von seiner Auffahrt auf die Landstraße einzulegen, und schon stieß er auf seine Exfrau Amy, die ihm aufgelauert hatte, nur um einen Blick auf ihn zu erhäschen. „Das reicht nicht als Beweis! Wenn ich sie hätte umbringen wollen, Owen – wenn ich fähig wäre, so weit zu gehen –, dann wäre sie jetzt tot. Ich hätte einfach weitergemacht und sie vergraben. Ganz bestimmt hätte ich nicht den Notarzt gerufen.“
„Und was ist mit dem Gewehr? Ned wird auf der Hut sein. Das ist alles. Vergiss das nicht.“ Owen hustete. „Wann kommst du nach Hause?“
Cain wusste es nicht. In Anbetracht von Sheridans Zustand fiel es ihm nicht leicht, einfach zu gehen. Er bezweifelte, dass sie besonders erfreut sein würde, ihn zu sehen, aber er war alles, was sie hatte. „Weiß ich noch nicht.“
„Falls sie stirbt, wäre es vielleicht besser, wenn du nicht in der Nähe bist.“
„Sie wird nicht sterben.“
Stille. Dann sagte Owen:
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