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Watschenbaum: Roman einer Kindheit (German Edition)

Watschenbaum: Roman einer Kindheit (German Edition)

Titel: Watschenbaum: Roman einer Kindheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egon Günther
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gewankt, um Hilfe herbeizurufen, hat aber nur noch ein ersticktes Röcheln oder Winseln zustande bringen können; da ihn in seinem fatalen Zustand niemand hören konnte, schleppte er sich mit letzter Kraft zurück, um sich in der Wohnung selbst zu verarzten, wobei er auf der Suche nach Verbandsmull noch etliche Schubladen und Schranktüren aufriss; vom starken Blutverlust geschwächt, verlor er jedoch rasch das Bewusstsein und stürzte zu Boden, wo er elendiglich verblutet ist. Als man ihn in einer Blutlache liegend auffand, waren seine Chancen auf ein Überleben bereits verwirkt. Bei Ludwigs Rückkehr hatte man den armen Koch längst schon auf einer Bahre fortgeschafft, aus dem Mund einer Nachbarsfrau konnte der ob der Nachricht doch ein wenig aus der Fassung geratene Polizist vernehmen, welch schreckliche, obschon vermeidbare Tragödie sich da tagsüber ein Stockwerk tiefer abgespielt hat.
    Der mit Wilhelms tatkräftiger Hilfe wieder instand gesetzten Mansardenwohnung, worin Ludwig und Carla während der Trümmer- und Aufbauzeit, die mit den ersten Jahren ihrer Ehe zusammenfiel, einen bescheidenen Hausstand begründeten, war vom Städtischen Wohnungsamt ein zusätzlicher Mieter zugewiesen worden. Bei der Polizeiarbeit, die Ludwig im Dienste der Amerikaner verrichtete, ist er aber ausgerechnet dem Leiter der Behörde bei einer Gesetzesübertretung oder einer kleinen Unregelmäßigkeit auf die Spur gekommen – vielleicht hatte der Mensch ein Sortiment Schwarzmarktware gehortet oder aber er verfügte selbst über mehr Wohnraum, als ihm von Rechts wegen zugestanden wäre. Gleichviel, Ludwig fiel es danach nicht schwer, den Beamten zur Rücknahme der Verfügung zu bewegen.
    Unverdaulich sind die der Belehrung dienen sollenden, in stockendem Ton vor der blanken Küchenzeile vorgetragenen oder am abendlichen Esstisch in die Luft gesprochenen Prahlereien des mit allen Wassern gewaschenen weltmännischen Polizisten. Ludwig hat dem General de Gaulle bei einem Staatsbesuch wie selbstverständlich die Hand geschüttelt, einen bekannten Mittelstürmer der ruhmreichen Meistermannschaft des TSV – für Cornelius fraglos ein unantastbares Idol –, wegen Trunkenheit am Steuer bedenkenlos vorgeladen und zurechtgestutzt, er hat skrupellos den Schwarzmarkt in der Bogenhausener Möhlstraße aufgeräumt,
da konnte man sie alle wieder sehen, die aus ihren Löchern gekrochenen Juden
, und südlich von München das Lager Föhrenwald ausgespäht, er hat sich,
gewusst wie!
, dank bester Beziehungen zu einem einschlägigen Rechtsanwalt seine fabrikneue blau-silberne RS 600, eine formschöne Maschine der Motorenwerke, der Tank und die Verkleidung waren blau, die verchromten Teile des Fahrwerks silbern, vor ihrer Zerlegung und Verschiebung nach Israel – samt Beiwagen hatte sie ihm eine Bande polnischer Juden von der Straße weg geklaut – in toto wiederbeschafft, hat alte Kommunisten und Widerstandskämpfer nach dem KPD-Verbot eingesperrt und die Münchner Organisatoren einer Fahrt zu den in Ostberlin stattfindenden Weltjugendfestspielen verfolgt und drangsaliert – weswegen dem unschuldigen Cornelius später untersagt worden ist, mit einer Reisegruppe des Kreisjugendringes nach Leningrad zu fahren, da Ludwig zu Unrecht befürchtete, der Neffe könnte aus Rache von den Sowjets entführt werden –, er hat morphinsüchtige Ärzte und homosexuelle Prominente bespitzelt und überführt, Transvestitenbars beschatten und schließen lassen, über die Seitensprünge hochrangiger Politiker, die er durch die Bank abfällig »Kasperlköpfe« nennt, Buch geführt, ernüchternde Einblicke in die zerrütteten Existenzen der Schauspieler, die Ausschweifungen der Sänger, Musiker und ihrer diversen Flittchen genommen, die Schwabinger Krawalle in zweiter Reihe miterlebt, aufgequollene Wasserleichen geborgen und tragische Selbstmörder vom Strick geschnitten, Wahrsager verlacht, Wunderheiler und andere Scharlatane durch seine unverhohlene Skepsis irritiert, Spielhöllen, Nepplokale und Bordelle, wohlanständige Zuhälter, suchtkranke Bordsteinschwalben, kleptomane Hausfrauen und schmierige Teppichhändler, Erpressung und Gewalt, Diebstahl und Unterschlagung, Bestechung und Amtsmissbrauch, Lug und Trug, mithin das ungeschminkte Leben kennengelernt und bei seiner Tätigkeit für die Sitte, die PoPo und andere Dienststellen allerorten, in prunkvollen Villen und in düsteren Klappen, ob in Harlaching oder in Untersendling, mit unerschütterlichem Gemüt und

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