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Watschenbaum: Roman einer Kindheit (German Edition)

Watschenbaum: Roman einer Kindheit (German Edition)

Titel: Watschenbaum: Roman einer Kindheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egon Günther
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wenn du endlich zu sinn und verstand gekommen bist hoffentlich ist es dann nicht schon zu spät und der zug endgültig abgefahren der krug geht so lange zum brunnen bis er bricht generell steh ich auf dem standpunkt solange du deine füße unter meinen tisch streckst kommt das gar nicht in frage bring erst mal deine schäflein ins trockene ich sag’s dir im guten im umgang mit dir kann ich gern andere saiten aufziehen halt dich gerade und schau mir in die augen wenn ich mit dir rede unverschämter bengel dir werd ich schon noch zeigen wo der barthel den most holt wer einmal lügt dem glaubt man nicht wart’s nur ab früchtchen jetzt weht bald ein anderer wind du wirst dich sowieso noch mal umschauen wenn wir nicht mehr da sind wir haben jedenfalls unsere schuldigkeit getan keiner kann nämlich sagen wir hätten dich nicht gewarnt wieder und wieder bis zur vergasung haben wir’s dir gesagt also schreib’s dir endlich hinter die ohren

Cornelius macht sich nichts vor. Er bildet sich ein, seine eigenen, ihm von Grund aus verhassten Schwächen zur Genüge zu kennen, aber kennen die ehrbaren und geradlinigen, die laut- und willensstarken, die scheinheiligen Verkünder und Beförderer von Anstand und Manieren, von Fleiß, Pünktlichkeit und Gewissenhaftigkeit, von genereller Zucht und Ordnung, von mechanischem Gehorsam die eigenen Schwächen genauso gut wie er die seinen zu kennen glaubt? Ihre Kunst der Weltklugheit scheint ihm zur rückgratlosen Anpassung verkommen, und hinter ihren vermeintlich wohlwollenden Worten, hinter ihren guten Ratschlägen wittert er einen bösen Kern, geformt aus Abscheu und Missmut. Was die geflissentliche Einhaltung solcher Kardinaltugenden wie Klugheit, Tapferkeit, Mäßigkeit und Gerechtigkeit seitens seiner Stiefeltern angeht, hegt er seine berechtigten Zweifel, hat er doch beiläufig einen ganzen Strauß befremdlicher Geschichten aus dem Berufsleben seines Onkels aufgeschnappt, die das hehre Bild vom tadellosen Übermenschen auf das durchschnittliche Maß eines kläglichen Heuchlers schrumpfen lassen. Der unnachsichtig strenge Maßstab, den Ludwig an andere anzulegen pflegt, muss, füglich auf ihn selbst angewandt, unweigerlich dazu führen, dass er in den Augen seines stets zur Aufrichtigkeit angehaltenen Neffen, der sämtliche ihm verkündeten Maximen zunächst wortwörtlich genommen hat, allen angemaßten Strahlenglanzes verlustig geht. Sollte die Behauptung zutreffend sein, dass das Bild eines Menschen aus nur drei Anekdoten charakterisiert werden kann, dann würde Ludwig mit einem auf solche Weise gewonnenen Porträt eine sehr unrühmliche, nachgeradezu schäbige Figur abgeben.
    Ludwigs Anfänge liegen im Dunkeln. Von einem Vater ist nichts bekannt. Die Mutter hatte drei Söhne, davon blieb einer auf dem Land und wuchs als Adoptivkind bei Bauern auf, mit den beiden anderen zog sie in die Vorstadt.
    Noch nicht ganz volljährig, aber schon im wehrfähigen Alter, ist Ludwig, nach Lehrjahren als Werkzeugmacher und nach einer in der Hauptsache mit Exerzieren und Skilaufen zugebrachten Zeit beim Arbeitsdienst im Bodenpersonal der Luftwaffe verwendet worden; augenscheinlich nicht geboren, um für Deutschland zu sterben, überdauerte er die beiden letzten Jahre des sogenannten Zweiten Weltkrieges auf einem als kriegswichtig eingestuften Posten an der »Heimatfront« und hat somit keinen direkten Anteil mehr am wahnwitzigen Inferno maßloser Gräuel und Verbrechen genommen. Vor einem bereits angesetzten Versorgungsflug, der ihn als Bordmechaniker einer Ju 52 in den Kessel von Stalingrad geführt und wahrscheinlich, da bei diesem »Himmelfahrtskommando« jede dritte Maschine verloren ging, nicht mehr heil herausgebracht hätte, hat er sich noch in letzter Minute freiwillig zu einem anderen Einsatz gemeldet, für den dringend Leute gesucht wurden. Statt einer Wachmannschaft für einen Raketenstollen oder irgendein höllisches Konzentrationslager teilte man ihn, zu seiner eigenen Überraschung, den in seiner Geburtsstadt befindlichen Motorenwerken zu, wo seine Aufgabe bis zum Kriegsende darin bestand, die Unwucht neu gefertigter Lüfterräder, die für den Flugzeugbomber Heinkel 111 bestimmt waren, durch geschicktes Ansetzen und Ausführen von Bohrungen im Metall der Werkstücke auszugleichen.
    Er erlangte darin bald eine bestimmte Fertigkeit, die ihn diese spezielle Arbeit zur vollsten Zufriedenheit seiner Auftraggeber ausführen ließ, doch vor dem Zeitnehmer, der die Dauer seiner

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