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WattenMord (German Edition)

WattenMord (German Edition)

Titel: WattenMord (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schmidt
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sehen uns also morgen früh um halb neun zur Frühbesprechung.“

DREIZEHN
    Als sie am Abend vor die Wache traten, hatte ein scharfer Ostwind die Wolken hinaus auf das Meer getrieben. Doch es war kühl, und die Sonne kämpfte noch vergeblich gegen den Wind an. Wiebke zog den Reißverschluss ihrer Jacke zu und warf ihrem Vater einen abwartenden Blick zu. Sie genoss nach der abgestandenen Büroluft den frischen Wind. Die Abendsonne tauchte die umliegenden Gebäude an der Poggenburgstraße in ein warmes Licht. „Und nun?“, fragte Ulbricht mit in den Manteltaschen versenkten Händen.
    „Feierabend?“
    Wiebke schüttelte lächelnd den Kopf. „Noch nicht ganz – für mich jedenfalls nicht.“ Sie hielt ihm den Haustürschlüssel hin. „Aber du kannst ruhig schon vorfahren und es dir gemütlich machen.“
    Ulbricht betrachtete seine Tochter zweifelnd. „Soll ich uns etwas zum Abendessen kochen?“
    „Nein.“ Wiebke stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihren Vater auf die rechte Wange. „Ich weiß nicht, wie lange es dauert.“
    „Wie du meinst.“ Er zuckte die Schultern, nahm den Schlüssel und verabschiedete sich von ihr. „Bis später dann.“
    Wiebke stand auf dem Bürgersteig und blickte ihm nach. „Papa?“
    Er blieb stehen und drehte sich langsam zu ihr um.
    „Nicht böse sein. Ist nichts Dienstliches.“
    „Kein Problem.“ Ihr Vater winkte ab. „Werde ich davon erfahren?“
    „Klar, Papa.“ Wiebke nickte. „Alles zu seiner Zeit.“
    „Geht klar.“ Ulbricht hob zum Abschied die Hand und trottete davon.
    Wiebke stieg in den Passat und fuhr eine Runde durch die Innenstadt von Husum. An einem Supermarkt hielt sie an und besorgte ein paar Dinge, bevor sie weiterfuhr und einen der wenigen freien Plätze an der Süderstraße fand. Sie stieg aus und nahm die Kiste „Flens“ aus dem Kofferraum. Mit jedem Schritt klapperten die Bierflaschen in dem tiefblauen Kasten. Ein alter Mann auf dem Rad betrachtete sie mit einem Kopfschütteln, als sie sich mit ihrem für eine junge Frau eher ungewöhnlichen Gepäck über den schmalen Gehweg schleppte, um vor einem der windschiefen Traufenhäuser stehen zu bleiben. Die Häuser in der Süderstraße hatten eine bewegte Geschichte hinter sich, und auch Menschen wie Ingwer Paulsen und Hermann Tast, die das Leben in Husum geprägt hatten, waren hier zu Hause gewesen. Unwillkürlich fragte sich auch Wiebke, ob der Besuch bei ihrem Partner ihr Leben verändern würde. Der Gedanke, dass er sich in sie verliebt haben könnte, war ungewohnt für Wiebke. Jan war gut zehn Jahre älter als sie, und wenn sie zusammen Dienst schoben, dann strahlte er immer etwas Väterliches aus. Sie mochte seine langjährige Diensterfahrung und hatte längst begriffen, dass sie viel von ihm lernen konnte. Außerdem hatte er meist einen lockeren Spruch auf den Lippen und setzte sich für das Gesetz und die Gerechtigkeit ein. Frei von Vorurteilen ging er mit den Menschen um, die sie zu einer Tat befragten, auch das war ein Attribut, das Wiebke an ihm schätzte.
    Doch das waren alles Eigenschaften, die sie bisher auf das gemeinsame Berufsleben beschränkt hatte. Wiebke hatte – bewusst oder unbewusst – verdrängt, dass dies Attribute waren, die ihr auch privat sehr sympathisch waren. Sie mochte Petersen sehr, doch sie wusste nicht, ob sie ihn auch lieben können würde. Je länger sie darüber nachdachte, desto plausibler wurde seine unbegründete Eifersucht auf Tiedje. Ihr Exfreund hatte sich schon seit Tagen nicht mehr gemeldet, und Wiebke wurde bewusst, dass sie nichts in ihrem Leben vermisste. Sie hatte die Trennung von ihm inzwischen ganz gut verkraftet und es genügte ihr, in ihm einen guten Freund für Gespräche und einen leidenschaftlichen Liebhaber für die eine oder andere einsame Nacht gefunden zu haben. Wiebke fragte sich, ob Jan Petersen diesen Platz in ihrem Leben einnehmen konnte. Nein, gab sie sich selbst die Antwort, er war viel zu schade, um nur bruchstückhaft an ihrem Leben teilzuhaben. Sie wollte ihn nicht verletzen, und deshalb war sie gekommen, um ein offenes Wort mit ihm zu sprechen.
    Wiebke zögerte, dann streckte sie die freie Hand aus und legte den Daumen auf den Klingelknopf. Drinnen schrillte eine Glocke, die ihr Kopfschmerzen bereiten würde, müsste sie hier wohnen. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, dann hörte sie drinnen schlürfende Schritte. Jemand drehte den Schlüssel im Schloss und nahm eine Kette ab. Dann blickte sie in das überraschte

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