WattenMord (German Edition)
eine Pause, um Levke die Gelegenheit zu geben, etwas zu erwidern, doch sie zog es vor zu schweigen.
„Wir klären zwei Morde auf, Frau Kühn, da werden ein paar lästige Fragen doch sicherlich gestattet sein.“ Ulbricht klammerte aus, dass er hier seine Freizeit verbrachte und ihn die Klärung der beiden Morde eigentlich nichts anging. Doch dies war der Fall seiner Tochter, und er wollte sie tatkräftig unterstützen. Ohne Wenn und Aber. Und Ulbricht hatte noch einen Joker in der Tasche. Er blickte auf, als Piet Johannsen mit dem Tee im Raum erschien. Der setzte das kleine Tablett vor der Besucherin auf dem Schreibtisch ab und schenkte ihr ein. Danach umrundete er den Schreibtisch und setzte sich. Er griff zu der Mappe, die ihm der Kollege gebracht hatte, und studierte sie minutenlang.
Ulbricht lehnte sich an die Fensterbank und betrachtete den Kriminaltechniker, der sich nachdenklich die Schläfen massierte, während er las.
Levke Kühn beugte sich vor und gab Kandis in die Tasse, bevor sie in kleinen Schlucken trank. Ulbricht wunderte sich, dass die Friesen offenbar zu jeder Tages- und Nachtzeit Tee tranken. Ihm persönlich wäre jetzt ein kühles Bier lieber gewesen. Doch er schwieg und versuchte Levke Kühns Miene zu studieren. Das fein geschnittene Gesicht war regungslos wie eine Maske, doch er konnte förmlich sehen, wie es hinter ihrer Stirn arbeitete. Es lag auf der Hand, dass sie sich Sorgen machte. Entweder fürchtete sie um ihre eigene Freiheit oder um die ihres Freundes.
„Er ist kein Mörder.“ Die junge Frau strich sich die blonden Haare mit einer lasziven Bewegung aus der Stirn und blickte die Polizisten abwechselnd an. „Torben könnte keiner Fliege etwas zuleide tun, das müssen Sie mir glauben.“
Piet Johannsen blickte von der Mappe auf. Eine steile Falte hatte sich auf seiner hohen Stirn gebildet, und er schob sich die Nickelbrille zurecht, bevor er antwortete. „Ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen, Frau Kühn: Sie scheinen ihn ja recht gut zu kennen, und das, obwohl Sie erst seit letzter Nacht ein Paar zu sein scheinen. Zum anderen geht es hier gerade nicht um Torben Schäfer, sondern um Ihre Person.“
Er betrachtete Levke Kühn mit ernster Miene, sein charmantes Lächeln, mit dem er sie eben noch bedacht hatte, war wie ausradiert. Ulbricht vermutete, dass die Ergebnisse der ED-Behandlung gegen sie sprachen, denn anders konnte er sich den Sinneswandel des norddeutschen Kollegen nur schwer erklären.
„Ich habe nichts damit zu tun“, sagte sie, während ihr Blick ins Leere glitt. „Ich bin unschuldig, und es war ganz bestimmt kein Racheakt, weil Holger seine Frau nicht für mich verlassen hat.“
Johannsen kniff die Augen zusammen und fuhr sich mit der freien Hand durch das schlohweiße Haar. „Das sagen Sie.“
„Sie müssen mir glauben!“
„Nein.“ Piet Johannsen schüttelte den Kopf und bedachte Ulbricht mit einem Blick, den er nicht zu deuten vermochte. Führte Johannsen die Frau nun absichtlich aufs Glatteis? Die Ergebnisse der Untersuchung lagen doch auf seinem Schreibtisch, und er hatte den Bericht seines Mitarbeiters eben überflogen. „Glauben gewöhnt man sich in unserem Job ganz schnell ab, Frau Kühn.“
Er klappte die Mappe zu. Dann lehnte er sich weit zurück und legte die Füße auf den Schreibtisch. Dabei ließ er seine Besucherin keine Sekunde lang aus den Augen.
„Ich glaube nur an Fakten, Frau Kühn. Und ich weiß nicht, was die Ermittlungen der Kollegen ergeben, aber ich weiß, dass Sie nicht im Auto von Torben Schäfer gesessen haben. Wir haben jedenfalls keine Spuren im Auto gefunden, die mit Ihrer DNA übereinstimmen.“ Das charmante Lächeln war auf sein rundes Gesicht zurückgekehrt, als er die Füße von der Tischplatte nahm. „Ich kann Ihnen nichts vorwerfen. Von mir aus können Sie gehen.“
Nun entgleisten Levke Kühn doch die aparten Gesichtzüge, und Ulbricht musste sich ein amüsiertes Grinsen verkneifen. Piet Johannsen war ein Stratege alter Schule.
„Meinen Sie das im Ernst?“
„Natürlich.“ Johannsen nickte. „Sie können gehen. Halten Sie sich aber zu unserer Verfügung.“
Levke Kühn stellte die Teetasse auf das kleine Tablett und sprang auf. Sie lächelte unsicher, konnte anscheinend selbst nicht glauben, dass sie eine freie Frau war. Sie bedachte Ulbricht mit einem Nicken. An der Tür blieb sie stehen. „Eine Frage noch: Was wird aus Torben?“
„Er bleibt zunächst in Untersuchungshaft, die Fluchtgefahr ist zu
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