WattenMord (German Edition)
drohten. Sie sank auf einen der einfachen Stühle in der Kaffeeküche und blickte durch das große Fenster hinaus in die Marsch. Der Regen hatte nachgelassen, doch noch immer war der Himmel grau. Wiebke pustete in die Tasse und genoss den leicht bitteren Geschmack des Kaffees.
„Was ist das für eine Scheiße?“, fragte sie leise an ihren Partner gewandt.
Petersen hockte sich vor ihr auf die Tischkante. „Heiners hatte Dreck am Stecken, jede Wette. Immer wieder geistern Gerüchte durch die Medien, dass er nicht ganz legal gearbeitet haben soll, um zum gewünschten Erfolg zu kommen. Das verschaffte ihm zwar Vorteile gegenüber seinen Mitbewerbern, aber auch viele Neider und Feinde.“ Er winkte ab. „Und wir können nun zusehen, dass wir die Nadel im Heuhaufen finden.“
„Sicherlich wird sich die Mordkommission einmischen, dann sind wir raus aus der Sache.“ Der Erste Kriminalhauptkommissar Udo Friedrichs von der Bezirkskriminalinspektion Flensburg leitete die Mordkommission. Er war für seine selbstherrliche und herrschsüchtige Art bekannt. Wiebke konnte gut darauf verzichten, ihm zuzuarbeiten. In Petersens momentaner Gemütslage konnten die Männer schnell aneinandergeraten; und da Friedrichs am längeren Hebel saß, würde Jan Petersen mit den Konsequenzen leben müssen.
„Die sind doch chronisch unterbesetzt“, unkte Petersen. „Mit ein bisschen Glück nehmen die uns den Bürokram ab. Die Feldarbeit bleibt an uns hängen, jede Wette! Aber so wie ich KHK Friedrichs kenne, wird er froh sein, am Ende die Pressekonferenz zu leiten und seine dumme Visage in jede Kameralinse zu halten. Der ist so was von mediengeil!“
Wiebke lachte trocken auf. In der Tat munkelte man hinter seinem Rücken, dass Friedrichs an einer Profilneurose litt. „Du machst mir ja richtig Mut.“ Dann wurde sie ernst. „Sag mal, glaubst du wirklich, dass die junge Frau, die Heiners im Becken entdeckt hat, unter Schock steht und deshalb abgehauen ist?“
Petersen rutschte von der Tischkante herunter, um durch den Raum zu wandern. „Ich weiß es nicht. Welchen Grund sollte sie sonst haben, sich zu verdünnisieren?“
„Vielleicht hängt sie tiefer in der Sache mit drin, war vielleicht in den Ablauf involviert.“
„In welchen Ablauf?“ Petersen unterbrach seine Wanderung und runzelte die Stirn.
„So ein Mord – ich gehe mal bewusst von Mord aus – muss von langer Hand geplant werden, Jan. Holger Heiners muss herkommen, also wird man ihn unter einem fadenscheinigen Grund hergelockt haben, was nicht ganz leicht gewesen sein dürfte. Dann muss sichergestellt sein, dass er außerhalb der Öffnungszeiten ins Multimar kommt, also muss jemand in der Sache mit drin hängen, der Zugang zum Gebäude hat und sich mit den Gegebenheiten dort auskennt. Dass der Täter sein Opfer im Großbecken entsorgt, grenzt doch an einen perfekten Mord.“
Petersen schüttelte den Kopf. „Mach mal langsam, Mädchen. Wo ist das bitte schön ein perfekter Mord? Die Leiche ist da und wurde sogar an einer prägnanten Stelle verkippt, wenn ich das mal so ausdrücken darf. Der Mörder serviert uns sein Opfer auf dem Silbertablett, ich will gar nicht wissen, wie viele Menschen täglich vor der großen Scheibe hocken, um den Fischen bei ihrer Mahlzeit zuzuschauen.“ Petersen nahm Wiebke die Kaffeetasse aus der Hand und trank wie selbstverständlich einen Schluck davon, bevor er fortfuhr: „Wenn du mich fragst, hat der sich was dabei gedacht. Man sollte den Toten sehen, je mehr Leute, desto besser.“
„Eine Inszenierung?“ Daran hatte Wiebke noch gar nicht gedacht. „Du meinst, er sucht die Öffentlichkeit?“
„Er selbst nicht – aber er wollte mit seiner Tat ein Zeichen setzen, so rum wird ein Schuh draus. Denk mal nach! Holger Heiners galt bei vielen Leuten als Buhmann. Nicht, weil er sich mit seinen Immobilien verspekuliert hat, sondern weil er da bauen will, wo es Umweltschützern so richtig wehtut: Am Dockkoog.“
Wiebke machte eine wegwerfende Handbewegung. „Mal Hand aufs Herz: Eine Touristenattraktion ist der Dockkoog doch schon lange nicht mehr. Und nun kommt einer, der frischen Wind in die Stadt bringen will.“
„Dabei schert er sich einen Dreck um die Stimmen der Umweltschützer.“
„Weil er nicht viel von der vorhandenen Landschaft verbauen wird“, trumpfte Wiebke auf. „Das habe ich nämlich in der Zeitung gelesen. Angeblich wird er das Naturschutzgebiet vollständig erhalten.“
„Das sagt er jetzt. Aber es gibt
Weitere Kostenlose Bücher