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Waugh, Evelyn

Waugh, Evelyn

Titel: Waugh, Evelyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ausflug ins wirkliche Leben
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Ballingar-Meute ihr Pferd auf losem Geröll über sie wälzte; ein betrunkener Sportarzt hatte das Unheil noch schlimmer gemacht, und sie hatte nie wieder reiten können. Sie erschien zu Fuß, wenn die Meute das Unterholz von Fleacetown durchstöberte, und kritisierte mit lauter Stimme die Jäger; doch von ihren alten Freunden beteiligten sich von Jahr zu Jahr weniger, und fremde Gesichter tauchten auf.
    Denen war Bella sehr wohl bekannt: als Gegenstand des Spottes und hochwillkommener Witze.
    »Ein lausiger Tag«, hörte man sie sagen. »Wir haben den Fuchs beinahe erwischt und fast unmittelbar darauf die Spur wieder verloren. Aber wir haben Bella gesehen. Möcht’ mal wissen, wie lange das alte Mädchen es noch macht. Muss ja an die neunzig sein. Mein Vater kann sich noch erinnern, wie sie die Jagden mitritt. Wie der Wind.«
    Und tatsächlich begann ihr Tod Bella immer häufiger zu beschäftigen. Im Winter vor einem [94] Jahr war sie schwer krank gewesen. Im April tauchte sie wieder auf, rotwangig wie immer, aber langsamer in Bewegung und Denken. Sie gab Anweisung, dass die Gräber ihres Vaters und ihres Bruders besser gepflegt werden müssten, und im Juni unternahm sie etwas ganz Unerhörtes und lud ihren Erben zu sich ein. Bisher hatte sie sich immer geweigert, den jungen Mann zu empfangen. Er war Engländer, ein sehr entfernter Vetter namens Banks. Er lebte in South-Kensington und arbeitete dort im Museum. Im August kam er zu ihr und schrieb lange und lustige Briefe an alle seine Freunde über seinen Aufenthalt, und hinterher machte er aus seinen Erlebnissen eine Geschichte für den Spectator. Bella konnte ihn vom ersten Augenblick an nicht ausstehen. Er hatte eine Hornbrille und eine B.B.C. -Stimme. Den größten Teil seiner Zeit verbrachte er damit, jeden Kaminsims und Türfries des Herrenhauses zu fotografieren. Eines Tages schleppte er einen Stoß in Kalbsleder gebundener Bücher aus der Bibliothek an.
    »Hör mal, weißt du, dass du die hier besitzest?«, fragte er sie.
    »Allerdings«, log Bella.
    »Lauter Erstausgaben. Die müssen unerhört wertvoll sein!«
    [95] »Stell sie wieder dorthin, wo du sie gefunden hast!«
    Später, als er ihr schrieb und sich für den Aufenthalt bedankte (er legte ein paar von den in Fleacetown gemachten Fotografien bei), sprach er wieder von den Büchern. Das gab Bella zu denken. Weshalb schnüffelte der junge Schnösel im Haus herum, den Preis eines jeden Dinges abschätzend? Schließlich war sie noch nicht tot, fand Bella. Und je mehr sie darüber nachdachte, desto widerwärtiger wurde ihr die Vorstellung, Archie Banks könnte ihre Bücher nach South-Kensington verbringen und jeden Kaminsims entfernen und (wie er es schon angedroht hatte) für die Architekturzeitschrift eine Arbeit über ihr Haus schreiben. Sie hatte schon oft gehört, dass Bücher wertvoll seien. Und in der Bibliothek gab es haufenweise Bücher, und sie sah nicht ein, weshalb Archie Banks daraus Profit schlagen sollte. Daher schrieb sie einen Brief an einen Buchhändler in Dublin. Er kam und sah sich in der Bibliothek um, und nach einem Weilchen bot er ihr zwölfhundert Pfund für den ganzen Posten oder tausend für die sechs Bände, die Archie Banks’ Aufmerksamkeit erregt hatten. Bella war nicht ganz sicher, ob sie ein Recht hatte, Sachen aus dem Haus zu veräußern. Ein Ausverkauf [96] aller Bücher würde auffallen. Daher behielt sie die Predigtsammlungen und Kriegshistorien, die den Großteil der Bibliothek ausmachten; der Dubliner Buchhändler zog mit den Erstausgaben ab (die ihm dann übrigens weniger einbrachten, als er dafür ausgegeben hatte), und Bella sah dem Winter mit tausend Pfund Bargeld in der Hand entgegen.
    Und da kam ihr nun der Einfall, eine Gesellschaft zu geben. Um die Weihnachtszeit fanden in der Umgebung von Ballingar immer einige davon statt, doch in den letzten Jahren war Bella zu keiner einzigen mehr eingeladen worden, teils weil viele ihrer Nachbarn sie nicht näher kannten, teils weil sie glaubten, sie würde nicht gerne kommen, und teils weil sie nicht gewusst hätten, was sie mit ihr anfangen sollten, wenn sie gekommen wäre. Nun verhielt es sich aber so, dass sie Gesellschaften sehr liebte. Es gefiel ihr, sich in Sälen voll Stimmengewirr an die Abendtafel zu setzen, sie liebte Tanzmusik und Geplauder, welches Mädchen schön sei und wer in wen verliebt war, und sie mochte einen edlen Tropfen und ließ sich gern allerlei Gutes von Herren im rosa Jagdfrack

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