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Waugh, Evelyn

Waugh, Evelyn

Titel: Waugh, Evelyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ausflug ins wirkliche Leben
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Soso… Na, sagen Sie ihr Salam von mir, wenn Sie ihr schreiben.«
    Mr. Brooks ging hinunter in den stillen, duftenden Abend. Lepperidge und Bretherton waren ganz allein. Der Major beugte sich vor.
    »Sagen Sie mal, Bretherton«, raunte er in vertraulichem Ton. »Eine Sache wollte ich Sie immer schon mal fragen, unter vier Augen. Ist Ihnen je der Gedanke gekommen, dass an der Entführung damals irgendwas faul war?«
    » Faul, Sir?«
    »Faul.«
    »Ich glaube, ich weiß, was Sie meinen, Sir. So mancher von uns hat sich tatsächlich in letzter Zeit so Gedanken gemacht…«
    »Genau.«
    »Natürlich nichts, was sich beweisen ließe. Wie Sie selbst sagten, Sir: faul. «
    »Genau… Hören Sie, Bretherton, ich glaube, Sie sollten allen einschärfen, dass man in der Sache lieber den Mund hält, verstehen Sie mich? Meine Gattin bringt es schon den Frauen bei…«
    »Sehr richtig, Sir. Man will nicht, dass die Leute darüber reden… Araber, meine ich, und Franzmänner.«
    [86] »Genau.«
    Eine lange Pause trat ein. Schließlich erhob sich Lepperidge zum Gehen. »Ich mache mir Vorwürfe«, sagte er. »Wir haben mit dem Mädchen einen großen Fehler gemacht. Hätte ich eher durchschauen müssen. Weil schließlich und endlich, da kann einer sagen, was er will, ist dieser Brooks doch bloß ein Koofmich.«

[87] Miss Bella gibt eine Gesellschaft
    Ballingar ist viereinhalb Stunden Bahnfahrt von Dublin entfernt, falls man am Broadstone-Bahnhof den Frühzug erreicht, und fünfeinviertel Stunden, wenn man bis zum Nachmittag wartet. Es ist der Marktflecken eines großen und verhältnismäßig dicht besiedelten Bezirks. Auf der einen Seite des Marktplatzes steht eine hübsche protestantische Kirche in neugotischem Stil aus dem Jahre 1820 und gegenüber die riesige, unvollendete katholische Kathedrale in jenem unverantwortlichen Stilgemisch, wie es den hinterwäldlerischen Frömmlern seit je gefällt. Die Fassaden der Läden, die den Platz auf den anderen beiden Seiten abschließen, zieren immer häufiger Schilder mit gälischen Lettern statt der lateinischen Buchstaben. In verschiedenen Stufen des Verfalls begriffen, handeln alle mit den gleichen Waren: Mulligans Laden, Flannigans Laden, Rileys Laden – jeder verkauft schwere schwarze Stiefel, die in Bündeln aufgehängt sind, und seifigen Importkäse, Haushalt- und Kurzwaren, Öl und [88] Sattelzeug, und jeder hat eine Lizenz, dass er Ale und Porter verkaufen und ausschenken darf. Das öde Gemäuer der ehemaligen Kaserne steht mit leeren Fensterrahmen und rauchgeschwärzten Wänden wie ein Denkmal zu Ehren der Freiheitskämpfer da. Jemand hat mit Teer auf den grünen Briefkasten geschmiert: Der Papst ist ein Verräter. Eine typisch irische Stadt.
    Das Gut Fleacetown liegt fünfzehn Meilen von Ballingar entfernt, und die gerade, unebene Landstraße führt durch eine typisch irische Gegend; in der Ferne verschwimmen violette Berge, und bis zu ihrem Fuße dehnt sich, auf der einen Straßenseite und zwischen ziehenden weißen Nebelbänken nur hin und wieder sichtbar, Meile um Meile endlosen Heidemoors, das nur hie und da von Stapeln dunkler Torfsoden unterbrochen ist. Auf der anderen Seite, nach Norden zu, steigt das Gelände an und wird durch Erdwälle und Steinmäuerchen in unregelmäßige, karge Felder aufgeteilt, auf denen die Ballingar-Meute einige ihrer tollsten Hetzjagden erlebte. Alles ist von Moos überzogen – als grober grüner Teppich liegt es auf Mauern und Wällen, als weicher grüner Samt auf dem Holz, die Übergänge verwischend, so dass man nicht mehr weiß, wo der Erdboden aufhört und Stämme und Gemäuer beginnen. Die [89] ganze Strecke von Ballingar her folgen weißgetünchte Hütten und etwa ein Dutzend mittelgroßer Farmhäuser aufeinander, doch nirgends ein Herrenhaus, denn in den Tagen vor der Landenteignung war dies alles Grundbesitz der Familie Fleace. Jetzt gehört zu Fleacetown weiter nichts als das Hauptgut, das Pachtland aber wird den benachbarten Farmern als Weide überlassen. Nur ein paar Beete des von einer Mauer eingeschlossenen Gemüsegartens sind bestellt; alles Übrige ist verrottet, und dornige Büsche, die nicht länger essbare Früchte tragen, wuchern überall zwischen verwilderten Blumen. Die Treibhäuser sind seit zehn Jahren zugige Skelette. Die großen Torflügel, die im georgischen Torbogen hängen, sind stets mit einem Vorhängeschloss versperrt; die Torwarthäuschen zerfallen, und die Hauptzufahrt zum Herrenhaus ist kaum noch von der Wiese

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