Waugh, Evelyn
gerichtet sind.« Sie machte mit einem nackten sonnengebräunten Arm eine ausladende Bewegung in die harmlos wirkende Landschaft. »Ich hoffe, Sie haben das Geld in Gold mitgebracht.«
»Es ist alles da, hinten im Wagen, Miss Brooks.«
»Ausgezeichnet. Tja, ich fürchte, Joab wird Sie nicht in sein Versteck lassen, deshalb werden Sie und ich hier warten, und Youkoumian wird in die Berge fahren und es übergeben.«
»Aber hören Sie, Miss Brooks, meine Zeitung hat viel Geld in diese Story investiert. Ich muss das Versteck sehen.«
»Ich werde Ihnen alles erzählen, was Sie wissen müssen«, sagte Prunella, und das tat sie dann.
»Es gab drei Hütten«, begann sie mit niedergeschlagenen Augen und gefalteten Händen, die Stimme sanft und die Worte gewählt, als ob sie eine Lektion wiederholte, »die kleinste und dunkelste war mein Kerker.«
Der Journalist wechselte unbehaglich die Position. »Hütten«, sagte er. »Ich hatte den Eindruck gewonnen, es wären Höhlen.«
»Waren es auch«, sagte Prunella. »Hütte ist ein [82] einheimisches Wort für Höhle. Zwei Löwen waren Tag und Nacht neben mir angekettet. Ihre Augen funkelten, und ihr stinkender Atem wehte mich an. Die Ketten waren gerade so lang, dass ich außer Reichweite war, solange ich völlig still lag. Wenn ich Hand oder Fuß bewegt hätte…« Sie brach mit einem kleinen Schauder ab…
Als Youkoumian zurückkehrte, hatte der Journalist genug Material für eine weitere sensationelle Titelgeschichte.
»Joab hat angeordnet, die Heckenschützen abzuziehen«, verkündete Prunella nach geflüsterter Beratung mit dem Armenier. »Wir können fahren.«
Und sie stiegen in das kleine Auto und fuhren ohne abenteuerliche Unterbrechung nach Matodi zurück.
VII
Sonst bleibt wenig zu erzählen. Prunellas Rückkehr wurde in der Stadt begeistert aufgenommen, und am Dienstag darauf gab man für sie einen offiziellen Empfang. Der Journalist machte viele Fotos, erdichtete eine Heimkehrszene, die die britische Leserschaft im tiefsten Herzen bewegte, [83] und flog alsbald in seinem Flugzeug davon, um sich in der Redaktion des Excess beglückwünschen und befördern zu lassen.
Es wurde allgemein erwartet, dass Prunella nun ihre endgültige Entscheidung zwischen Kentish und Benson treffen würde, doch dieser erregende Höhepunkt blieb der Kolonie verwehrt. Stattdessen kam die betrübliche Nachricht, sie werde nach England zurückkehren. Ein Licht schien im azanischen Leben erloschen zu sein, und trotz aller erklärten guten Wünsche herrschte am Vorabend ihrer Abreise eine gewisse Verhaltenheit, ja beinahe Ungehaltenheit, als machte sich Prunella mit ihrem Fortgang der Treulosigkeit schuldig. Der Excess brachte einen Absatz über ihre Ankunft, überschrieben mit: AUSKLANG DES ENTFÜHRUNGSFALLS , doch ansonsten schien sie sich der öffentlichen Aufmerksamkeit dezent entzogen zu haben. Der arme Stebbing war gezwungen, den Dienst zu quittieren. Sein gestörter Geisteszustand schien dauerhaft zu sein, und von da an verbrachte er seine Zeit so harmlos wie nutzlos in einem privaten Pflegeheim, wo er verborgene Botschaften in Bradshaws britischem Eisenbahnkursbuch entschlüsselte. Selbst in Matodi kam die Entführung nur noch selten zur Sprache.
[84] Sechs Monate später saßen Lepperidge und Bretherton im Club beisammen und tranken ihr abendliches Glas Pink Gin. Das Banditenunwesen war gerade wieder Thema, denn an dem Morgen war der inzwischen arm- und beinlose Rumpf des amerikanischen Missionars vor den Toren der Baptistensiedlung aufgefunden worden.
»Das ist eins der Probleme, die wir anpacken müssen«, sagte Lepperidge. »Da ist Handeln geboten. Ich werde von der ganzen Sache Meldung machen.«
Mr. Brooks, der gerade zu seinem einsamen Abendessen aufbrach, kam an ihnen vorbei; man sah ihn nur noch selten im Club; das Erdölgeschäft florierte beständig und hielt ihn bis spätnachts am Schreibtisch fest. Er trauerte seiner kurzlebigen Popularität nicht nach, ja erinnerte sich kaum daran, aber Lepperidge wahrte ihm gegenüber eine gewisse verlegene Herzlichkeit, wenn sie sich trafen.
»’n Abend, Brooks. Was Neues von Miss Prunella?«
»Ja, zufällig habe ich gerade heute von ihr gehört. Sie ist frisch verheiratet.«
»Na, das ist ja ein Ding… Hoffe, Sie freuen sich. Jemand, den wir kennen?«
»Ja, ich freue mich schon irgendwie, obwohl [85] sie mir natürlich fehlen wird. Es ist dieser Mensch aus Kenia, der mal hier war; erinnern Sie sich?«
»Ach ja, der?
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