Waugh, Evelyn
zu vollbringen.
Sieben Wochen lang paddelten sie durch grüne feuchte Urwaldtunnel. Sie fotografierten ein paar nackte misanthropische Indianer; legten ein paar Schlangen in Gläser ein und verloren sie wieder, als ihr Kanu in den Stromschnellen kenterte; sie muteten ihren Mägen einiges zu und probierten bei Festen Eingeborener übelkeiterregende, berauschende Getränke; wurden von einem Goldsucher aus Guayana ausgeraubt, der mit ihrem letzten Zucker entschwand. Schließlich erkrankte Professor Anderson schwer an Malaria, brabbelte ein paar Tage lang in seiner Hängematte leise vor sich hin, fiel ins Koma, starb und ließ Henty allein mit einem Dutzend Maku-Ruderern zurück, von denen keiner auch nur ein einziges Wort einer ihm bekannten Sprache sprach. Sie machten kehrt und glitten flussabwärts, mit einem Minimum an Vorräten und ohne jedes gegenseitige Vertrauen.
Eines Tages, etwa eine Woche nach Professor [130] Andersons Tod, wachte Henty auf und stellte fest, dass die Männer und das Kanu über Nacht verschwunden waren und ihn, nur mit seiner Hängematte und seinem Pyjama, etwa zwei- oder dreihundert Meilen von der nächsten brasilianischen Siedlung entfernt zurückgelassen hatten. Seine Natur verbot es ihm, an Ort und Stelle zu bleiben, auch wenn es wenig Sinn zu haben schien, sich irgendwie fortzubewegen. Er folgte dem Flusslauf, zunächst in der Hoffnung, irgendeinem Kanu zu begegnen. Aber nun war der ganze Urwald für ihn mit fieberhaften Geistererscheinungen bevölkert, aus keinem ersichtlichen Grund. Er schleppte sich weiter, mal watete er im Wasser, mal schlug er sich durch den Busch.
Er hatte immer die vage Vorstellung gehabt, dass der Dschungel voll von Essbarem sei; dass von Schlangen, Eingeborenen und wilden Tieren Gefahr drohe, aber nicht vom Hunger. Weit gefehlt, wie er jetzt sah. Der Dschungel bestand nur aus riesigen Baumstämmen und einem Gewirr von Dornen und Lianen um sie herum, alles überhaupt nicht nahrhaft. Am ersten Tag litt er fürchterlich. Später war er wie betäubt und vor allem peinlich berührt vom Verhalten der Dschungelbewohner, die in Livree auf ihn zutraten, um ihm sein Abendessen zu servieren, und sich dann [131] völlig unverantwortlich in Luft auflösten, oder sie hoben die Deckel über den Speisen und präsentierten ihm lebendige Schildkröten. Viele Leute, die ihn aus London kannten, umkreisten ihn mit spöttischen Ausrufen, stellten ihm Fragen, auf die er im Leben keine Antwort wusste. Auch seine Frau tauchte auf, er war froh, sie zu sehen, und nahm an, dass sie genug von ihrem Offizier hatte und gekommen war, um ihn nach Hause zu holen; aber auch sie löste sich in Luft auf, wie alle anderen.
In diesem Moment kam ihm wieder in den Sinn, dass er unbedingt Manaus erreichen musste; er ging mit verdoppelter Energie weiter, stolperte über Steine im Fluss und verfing sich in Lianen. »Aber ich darf meine Kraft nicht vergeuden«, überlegte er. Dann vergaß er das auch und wusste von nichts mehr, bis er in der Hängematte in Mr. McMasters Haus erwachte.
Seine Genesung schritt langsam voran. Zunächst wechselten sich klare Tage mit Delirien ab, dann fiel seine Temperatur, und er war bei Bewusstsein, selbst auf dem Höhepunkt seiner Krankheit. Die Fiebertage wurden seltener und traten schließlich im normalen Rhythmus der Tropen auf, also mit langen Perioden relativer Gesundheit [132] zwischendurch. Mr. McMaster gab ihm regelmäßig seine Kräuterarznei.
»Es schmeckt ekelhaft«, sagte Henty, »aber es hilft.«
»Im Wald gibt es Mittel für alles«, sagte Mr. McMaster, »sie machen gesund, und sie machen krank. Meine Mutter war Indianerin, sie hat mir viele gezeigt. Andere habe ich mit der Zeit von meinen Frauen gelernt. Es gibt Pflanzen, die heilen, und solche, die einem Fieber geben, einen umbringen und wahnsinnig machen, die Schlangen fernhalten und Fische betrunken machen, so dass man sie mit Händen greifen kann wie Früchte von einem Baum. Es gibt Arzneien, die selbst ich nicht kenne. Man sagt, man könne Tote, wenn sie bereits stinken, wieder zum Leben erwecken, aber das habe ich noch nie gesehen.«
»Aber Sie sind doch sicher Engländer?«
»Mein Vater war es, zumindest war er aus Barbados. Er kam als Missionar nach Guayana. Er war mit einer weißen Frau verheiratet, ließ sie aber in Guayana zurück, um auf Goldsuche zu gehen. Dann nahm er meine Mutter. Die Shiriana-Frauen sind hässlich, aber treu. Ich habe viele gehabt. Die meisten Männer und Frauen hier in
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