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Waugh, Evelyn

Waugh, Evelyn

Titel: Waugh, Evelyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ausflug ins wirkliche Leben
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Ihnen guttun wird.«
    »Sehr freundlich von Ihnen.« Dann sagte er: »Sie sprechen ja Englisch. Ich bin auch Engländer. Mein Name ist Henty.«
    »Nun, Mr. Henty, Sie brauchen sich keine Sorgen mehr zu machen. Sie sind krank und haben eine unangenehme Reise hinter sich. Ich werde mich um Sie kümmern.«
    [122] Sie gingen sehr langsam, erreichten aber dann doch das Haus.
    »Legen Sie sich in die Hängematte dort. Ich werde Ihnen gleich etwas bringen.«
    Mr. McMaster ging in ein Zimmer im hinteren Teil des Hauses und zog unter einem Haufen von Fellen einen Blechkanister hervor, in dem sich eine Mischung von trockenen Blättern und Rinden befand. Er nahm eine Handvoll und ging hinaus zum Feuer. Als er zurückkam, legte er eine Hand unter Hentys Kopf und hielt ihm das Kräutergebräu in einer Kalebasse hin. Henty nippte daran, es war so bitter, dass ihn ein Schauder packte. Schließlich trank er es aus. Mr. McMaster kippte den letzten Rest auf den Lehmboden. Henty legte sich in die Hängematte zurück und schluchzte leise. Dann fiel er in einen tiefen Schlaf.
    Andersons Expedition nach Brasilien zur Serra Parima und zum Oberlauf des Uraricuera stand von Anfang an »unter einem schlechten Stern«, wie die Presse es nannte. Jede Etappe der Unternehmung, von den Vorbereitungen in London bis zu ihrer tragischen Auflösung im Amazonasgebiet, war vom Unglück verfolgt. Nur aufgrund eines der frühen Rückschläge war Paul Henty überhaupt dabei.
    [123] Er war seiner Natur nach nicht unbedingt ein Forschungsreisender; ein ausgeglichener, gutaussehender junger Mann mit anspruchsvollem Geschmack und beneidenswertem Vermögen, kein Intellektueller, aber durchaus empfänglich für Architektur oder Ballett, in den zugänglicheren Weltgegenden weitgereist, ein Sammler, wenn auch kein Kenner, beliebt bei Gastgeberinnen, verehrt von seinen Tanten. Er war verheiratet mit einer außergewöhnlich charmanten und schönen Frau, und sie war es, die sein wohlgeordnetes Leben durcheinandergebracht hatte, indem sie ihm zum zweiten Mal in ihrer achtjährigen Ehe gestand, sich in einen anderen Mann verliebt zu haben. Das erste Mal war es eine kurzlebige Vernarrtheit in einen Tennisprofi gewesen, das zweite Mal war es ein Captain der Coldstream Guards, und ernsthafter.
    Das Erste, was Henty nach dem Schock dieser Eröffnung einfiel, war, allein essen zu gehen. Er war Mitglied von vier Clubs, aber in drei davon lief er Gefahr, dem Liebhaber seiner Frau zu begegnen. Daher entschied er sich für den Club, den er am wenigsten frequentierte und der ein semi-intellektuelles Publikum anzog, viele Verleger, Anwälte und Gelehrte, die auf ihre Aufnahme in den Athenaeum Club warteten.
    [124] Hier kam er nach dem Abendessen mit Professor Anderson ins Gespräch und erfuhr von seiner geplanten Expedition nach Brasilien. Beim Ungemach, das die Abreise derzeit verzögerte, handelte es sich um die Veruntreuung von zwei Dritteln des Expeditionskapitals durch den Sekretär.
    Die Expeditionsteilnehmer standen bereit – Professor Anderson, der Anthropologe Dr. Simmons, der Biologe Mr. Necher, der Techniker, Funker und Mechaniker Mr. Brough –, das wissenschaftliche und sonstige Gerät war in Kisten verpackt, die jederzeit verladen werden konnten, die notwendigen Dokumente waren von den zuständigen Behörden gestempelt und unterschrieben, aber wenn Anderson nicht schnell tausendzweihundert Pfund auftrieb, musste das Ganze abgeblasen werden.
    Henty war, wie bereits erwähnt, ein wohlhabender Mann; die Expedition würde neun Monate bis ein Jahr dauern; er könnte das Haus auf dem Land schließen – seine Frau, überlegte er, würde sowieso lieber in London bei ihrem Galan bleiben wollen – und damit mehr als die erforderliche Summe einsparen. Das ganze Vorhaben hatte etwas Glanzvolles, das, so hoffte er, vielleicht sogar seine Frau beeindrucken würde. An Ort und [125] Stelle noch, vor dem Clubkamin, beschloss er, Professor Anderson zu begleiten.
    Als er an diesem Abend nach Hause kam, verkündete er seiner Frau: »Ich habe eine Entscheidung getroffen.«
    »Ja, Liebling?«
    »Du bist dir sicher, dass du mich nicht mehr liebst?«
    »Liebling, du weißt doch, dass ich dich über alles liebe.«
    »Aber du bist dir sicher, dass du diesen Offizier, Tony wie-auch-immer-er-noch-heißt, mehr liebst als mich?«
    »O ja, viel mehr. Das ist völlig etwas anderes.«
    »Gut. In Sachen Scheidung beabsichtige ich vor Ablauf eines Jahres nichts zu unternehmen. So lange hast du

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