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Waylander der Graue

Waylander der Graue

Titel: Waylander der Graue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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Seidentunika hoch und betrachtete den feinen Wolfspelz, der seinen Unterarm bedeckte. »Es wird gut sein, wenn die Armee durchkommt«, sagte er. »Ich vermisse dieses Leben. Du auch?«
    Eisenarm zuckte die Achseln. »Ich vermisse weder Himmelsdolchs Schnarchen noch den Gestank von Drei-Neuns Füßen.«
    Dreischwert stand auf und steckte die beiden Scheiden wieder in die Schärpe. »Ich bin diesen Ort leid«, sagte er. »Wir warten nicht bis Mitternacht.«
     
    Kysumu band die Pferde an und fütterte sie mit dem letzten Getreide. Die Sonne ging unter, als er ins Lager ging und ein kleines Feuer entzündete. Yu Yu schlief schon, sein Kopf ruhte auf seinem Umhang, die Knie hatte er angezogen wie ein Kind. Kysumu spähte zwischen die Bäume, deren Stämme im Schein der untergehenden Sonne glühten, und wünschte, er hätte Zeichenkohle und Pergament mitgebracht. Stattdessen schloss er die Augen und versuchte zu meditieren. Yu Yu drehte sich auf den Rücken und begann leise zu schnarchen. Kysumu seufzte.
    Zum ersten Mal seit vielen Jahren fühlte er sich irgendwie verloren, nicht im Einklang mit sich selbst. Die Meditation wollte nicht gelingen. Ein Insekt summte um sein Gesicht, und er wischte es weg. Er wusste, was falsch war, und er wusste genau, wann der Samen seiner Unruhe gesät worden war. Das Wissen machte es jedoch nicht leichter, es zu akzeptieren. Kysumu dachte zurück an die Jahre seiner Ausbildung, doch am häufigsten kehrten seine Gedanken zurück zur Sternenlilie und der Nacht der bitteren Süße.
    Diese Nacht war ein Rätsel. Alle Studenten hatten davon gehört, aber keiner wusste, was sie bedeutete. Die Rajnee, die sie hinter sich hatten, waren zum Stillschweigen verpflichtet.
    Kysumu hatte sich dem Tempel angeschlossen, als er dreizehn war und fest entschlossen, der Größte aller Rajnee zu werden. Er hatte unermüdlich gearbeitet, Tag und Nacht gelernt, den Unterricht aufgesogen und die Härten ertragen. Nicht ein Mal beklagte er sich über die bittere Kälte in der Zelle im Winter oder die erdrückende Hitze im Sommer. Mit sechzehn wurde er für einen Sommer zur Arbeit auf einen armseligen Hof geschickt, um das Leben der niedersten Tagelöhner kennen zu lernen. Kysumu hatte die ganze Zeit über geschuftet, hatte fünfzehn Stunden täglich auf dem kargen Land gearbeitet für eine Schale dünner Suppe und ein Stück Brot. Sein Bett war eine Strohmatte unter einem Unterstand. Er hatte unter Furunkeln und der Ruhr gelitten, doch er hatte es ertragen.
    Sein Mentor war zufrieden mit ihm. Eine Legende unter den Rajnees, war Mu Cheng auch als Auge des Sturms bekannt. Er hatte den Dienst des Kaisers quittiert, um zehn Jahre lang als Tempellehrer zu arbeiten! Und jedes Mal, wenn Kysumu glaubte, nicht mehr zu können, dachte er an die Verachtung in den Augen von Mu Cheng, und in diesem Gedanken fand er den Mut auszuhalten. Es war Mu Cheng, der Kysumu zuerst den Weg der Klinge gelehrt hatte. Dies war die schwerste aller Lektionen gewesen, denn Kysumu hatte Jahre damit verbracht, sich selbst zu beherrschen, seinen Körper gegen Härten zu stählen und ihn oft über seine Grenzen zu strapazieren. Gerade diese Selbstbeherrschung verhinderte, dass er der Schwertkämpfer wurde, der er sein wollte. Im Kampf, sagte Mu Cheng, war der Weg der Klinge Leere und Kapitulation. Nicht die Kapitulation vor einem Feind, sondern vor der Selbstkontrolle, damit der trainierte Körper handeln konnte, ohne zu überlegen. Ohne Angst und Furcht, ohne Vorstellungskraft. Das Schwert, so Mu Cheng, sei nicht die Verlängerung des Mannes. Der Mann müsse zu einer Verlängerung des Schwertes werden.
    Noch zwei weitere Jahre harter körperlicher Arbeit folgten. Zum Schluss war Kysumu schnell, seine Schwertarbeit Schwindel erregend. Mu Cheng war zufrieden, erklärte jedoch, dass es noch immer viel zu lernen gäbe.
    Dann kam die Nacht der Bitteren Süße.
    Mu Cheng hatte ihn zu einem kleinen Palast in den Vorbergen am Großen Fluss gebracht. Es war ein schönes Gebäude mit anmutigen Türmen, die mit eleganten Statuen geschmückt waren. Die Wände waren verputzt und rot und golden bemalt, die Gärten makellos mit verschlungenen Pfaden zwischen schimmernden Springbrunnen und Blumenbeeten in voller Pracht. Der Duft von Rosen, Jasmin und Geißblatt hing in der Luft.
    Mu Cheng führte den staunenden Kysumu ins Innere. In einem großen Raum war ein Tisch gedeckt, auf dem verschiedene Gerichte lockten. Die beiden Männer setzten sich auf

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