Waylander der Graue
hatten. Er öffnete die Augen wieder und sah in die grimmigen Züge seines Vorgesetzten Dreischwert. »Einer von ihnen ist sehr müde«, sagte er. »Der mit dem getrockneten Blut dran. Der andere – der Riaj-nor ist stark.«
»Er ist kein Riaj-nor«, sagte Dreischwert. »Ihr Orden ist ausgestorben. Wie man mir sagte, haben sie jetzt nur noch blasse Nachahmungen, die sich Rajnee nennen. Sie sind in dieser Welt verweichlicht. Das passiert.«
»Uns nicht«, sagte Stein-Vier.
Dreischwert betrachtete den kräftig gebauten jungen Krieger und schüttelte den Kopf. »Nur solange Idioten nicht so denken«, sagte er.
Stein-Vier gab ein tiefes Knurren von sich. Seine Schultern spannten sich. Dreischwert trat dicht vor den wütenden Kriaznor. »Glaubst du etwa, du könntest es schon mit mir aufnehmen? Glaubst du wirklich, das könntest du? Dann fordere mich heraus, Schafköttel! Tu es, und ich reiße dir den Kopf ab und verspeise dein Herz.«
Einen Augenblick lang sah es so aus, als ob Stein-Vier sein Schwert ziehen würde. Seine Hand schwebte über dem schwarzen Griff. Dann entspannte er sich.
»Klug«, sagte Dreischwert. »Jetzt lebst du vielleicht lange genug, um dir einen Namen zu verdienen.«
»Wir sollten sie bei Einbruch der Nacht eingeholt haben«, meinte Eisenarm. »Wenn wir stramm marschieren.«
»Besser, erst um Mitternacht bei ihnen zu sein«, sagte Langbein, der Größte des Quartetts. Sein Gesicht war lang und bärtig, die Augen tiefliegend mit schlitzförmigen Pupillen. »Dann liegen sie in tiefem Schlaf.«
»Ich würde sie lieber im Kampf töten«, sagte Stein-Vier.
»Das rührt daher, dass du noch jung bist«, sagte Langbein freundlich. »Sie schmecken besser, wenn sie entspannt sterben. Stimmt das nicht, Dreischwert?«
»Ja, das stimmt. Wut oder Angst verkrampfen die Muskeln. Weiß auch nicht, warum. Also Mitternacht. Wir rasten hier eine Stunde lang.«
Dreischwert ging davon und setzte sich an den Bach. Der bullige Eisenarm gesellte sich zu ihm. »Keine Spur von Streifentatzes Truppe. Sie müssen fast so dicht dran sein wie wir.«
»Vielleicht noch dichter«, sagte Dreischwert, tauchte seine Hand in den Bach und schöpfte Wasser in seinen schmalen Mund.
Eisenarm senkte die Stimme. »Warum also dann bis Mitternacht warten? Willst du, dass Streifentatze zuerst da ist?«
Dreischwert lächelte. »Ich mag Streifentatze nicht. Zu viel Katze drin. Eines Tages werde ich sein Herz essen müssen. Ich wette, es schmeckt nicht.«
»Warum ihm also dann den Ruhm des Tötens überlassen?«
Dreischwert dachte über die Frage nach. »Streifentatze ist zwar ein wilder und guter Schwertkämpfer, aber dabei töricht und tollkühn. Es würde mich weder überraschen noch mir das Herz brechen, wenn er von einem Riaj-nor niedergemacht würde.«
»Du sagtest doch, diese Krieger wären nichts als blasse Nachahmungen«, wandte Eisenarm ein.
»Ich sagte, so hätte man es mir gesagt. Ich ziehe es vor, mir erst dann ein Urteil zu bilden, wenn ich sie selbst gesehen habe.«
Dreischwert zog die beiden Scheiden aus seiner Schärpe und legte sie auf den Boden. Dann streckte er sich auf der Seite aus und schloss die Augen.
Ja, Streifentatze würde zuerst da sein. Er würde sich auf sie stürzen und mit den Menschen kämpfen, ohne einen Gedanken an ihre Fähigkeiten zu verschwenden, sich nur auf seine eigene atemberaubende Schnelligkeit und Kampfkunst verlassen. Mit etwas Glück würde er schwer dafür büßen müssen. Dann würden seine Männer die Menschen erledigen, und Dreischwert und seine Truppe konnten für das rituelle Festmahl zu ihnen stoßen. Das war ein guter Gedanke.
Er lag still und ließ zu, dass sein Körper sich entspannte.
Es war schön, durch dieses Land zu streifen. Neun Jahre lang war Dreischwert mit der Armee gereist, umringt von Hunderten anderer Kriaznor, hatte mit neun anderen in einem überfüllten Zelt geschlafen und war in Formation marschiert oder hatte Städte angegriffen. In diesem Land wirkte der Himmel höher, und Dreischwert stellte fest, dass er die Freiheiten genoss, die sein Auftrag mit sich brachte.
Er döste eine Weile und merkte dann, dass er träumte. Er konnte sich selbst sehen, wie er an einer Hütte stand, in deren Nähe ein Bach plätscherte. Seine Kinder spielten unter den Bäumen. Er setzte sich auf und fluchte innerlich. Woher kommen solche Albernheiten?, fragte er sich.
»Schlechter Traum?«, fragte Eisenarm.
»Nein.« Dreischwert schob den Ärmel seiner schwarzen
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