Waylander der Graue
goldbeschlagene Stühle mit Seidenkissen. Sechs Jahre lang hatte der Student von Maisbrei und gekochtem Fisch, von hartem Brot und gesalzenen Keksen gelebt. Gelegentlich hatte er Honig kosten dürfen, doch nur selten. Auf dem Tisch vor ihm standen Pasteten, geräuchertes Fleisch, Käse – Delikatessen jeder Art. Kysumu starrte sie an. Mu Cheng zog eine kleine Phiole aus der Tasche und goss den Inhalt in einen Kristallkelch. »Trink das«, befahl er. Kysumu gehorchte. Im ersten Augenblick geschah nichts. Dann begann ein köstliches Gefühl in Kysumus Körper zu strömen. Er lachte. »Was ist das?«, fragte er.
»Eine Mischung aus Kernölen und Extrakten. Wie fühlst du dich?«
Mu Chengs Stimme klang seltsam, als ob die Worte durch Kysumus Kopf schwebten, mal hallend dröhnten und dann wieder verklangen. »Ich fühle mich … wunderbar.«
»Das ist auch der Zweck«, hörte er Mu Cheng sagen. »Und jetzt iss.«
Kysumu kostete eine der Pasteten. Sie schmeckte herrlich. Sein Körper jauchzte fast vor Behagen. Er aß noch eine und noch eine. Noch nie im Leben hatte er eine solche Wonne erlebt. Mu Cheng schenkte ihm einen Becher Wein ein. Als der Abend voranschritt, wurde Kysumu vor Entzücken fast ohnmächtig. Noch nie hatte er in seinem jungen Leben etwas Ähnliches erlebt. Er war so hingerissen, dass er nicht merkte, dass Mu Cheng nichts aß und nur Wasser trank.
Als das Licht schwand, erschienen zwei junge Frauen. Sie brachten Laternen, die sie an Messinghaken hängten. Kysumu betrachtete sie und merkte, wie ihre Seidengewänder sich um ihre Körper schmiegten. Sie gingen, und eine andere junge Frau erschien. Sie hatte schwarzes Haar, das aus dem Gesicht zurückgekämmt war und von einem zarten Netz aus Silberfäden gehalten wurde. Ihre Augen waren groß und glänzend. Sie setzte sich neben Kysumu und fuhr ihm mit den Fingern durchs Haar. Bei ihrer Berührung zitterte er und drehte sich um, um in ihr Gesicht zu schauen. Ihre Haut war hell und makellos, ihre Lippen rot und feucht. Sie nahm ihn bei der Hand und zog ihn hoch.
»Geh mit ihr«, sagte Mu Cheng.
Kysumu folgte der Frau willig in ein rundes Zimmer mit einem großen, seidenbespannten Bett. Weihrauch brannte und verbreitete seinen starken, zu Kopfe steigenden Duft. Die Frau stellte sich vor ihn. Sie griff zu einer Brosche an ihrer Schulter. Als sie sie öffnete, glitt ihr Kleid herab, als wäre es flüssig, floss über ihren Körper und bildete zu ihren Füßen eine Lache. Kysumu blickte mit unverhohlenem Begehren auf ihre Nacktheit. Sie nahm seine Hände und führte sie an ihre Brüste. Kysumu stöhnte. Seine Knie wurden weich, seine Beine zitterten. Sie zog ihn zum Bett und entkleidete ihn. »Wer bist du?«, fragte er heiser.
»Ich bin die Sternenlilie«, sagte sie. Das waren die einzigen Worte, die er jemals von ihr hörte.
Während der nächsten Stunden, bis er schließlich in einen zufriedenen Schlaf fiel, lernte der junge Rajnee die wahre Bedeutung von Ekstase kennen.
Als der Tag anbrach, erwachte Kysumu von Vogelgezwitscher vor dem Fenster. Sein Körper schmerzte, sein Kopf dröhnte. Er setzte sich auf und stöhnte. Die Ereignisse der Nacht fielen ihm wieder ein, und eine Woge der Freude überfiel ihn und schwemmte den Kopfschmerz davon. Er sah sich nach der Frau um, aber sie war fort.
Er stand auf, zog sich an und ging durch den Palast, bis er den Raum gefunden hatte, in dem in der vergangenen Nacht das Festmahl stattgefunden hatte.
Mu Cheng war noch dort. Auf dem Tisch standen ein Becher Wasser und ein Laib schwarzes Brot.
»Frühstücke mit mir«, sagte Mu Cheng.
Kysumu setzte sich. »Bringen sie noch mehr zu essen?«
»Dies ist unser Essen.«
»Kommt die Sternenlilie zu uns?«
»Sie ist fort.«
»Fort? Wohin?«
»Zurück in die Welt, Kysumu.«
»Ich verstehe nicht.«
»Du hast jetzt zwei Möglichkeiten. Du kannst ein Rajnee werden oder ein wandernder Krieger, verkaufst dein Schwert und lebst unter Männern und Frauen.«
»Warum hast du mir das angetan?«
»Es ist nicht schwer, Student, Vergnügen zu entsagen, die du nie erlebt hast. Darin liegt keine Stärke. Von diesem Augenblick an weißt du wirklich, was dir die Welt alles bieten kann. Von jetzt an wird die Erinnerung an diese Nacht immer bei dir sein, dunkel und verführerisch, und deine Entschlossenheit bedrohen. In vieler Hinsicht ist dies die größte Prüfung für einen Rajnee. Deswegen heißt sie die Nacht der Bitteren Süße.«
Mu Cheng hatte Recht behalten. In den
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