Waylander der Graue
Räuberbande verlassen und nach Gulgothir reisen. Du wirst versuchen, dir einen Traum zu erfüllen, den du seit deiner Kindheit hast, dir ein Geschäft aufzubauen und Schmuck für den Adel zu entwerfen, wundervoll gearbeitete Broschen und Ringe. Du wirst entdecken, dass das, was du für Talent gehalten hast, in Wahrheit Genie ist. Du wirst Glück und Wohlstand in Gulgothir finden. Doch wenn diese Frau stirbt, wird ihr Mann dich finden. Er wird dir die Hände abschlagen, und man wird deinen Körper finden, aufgespießt auf einem scharfen Pfahl.«
Er schwieg einen Augenblick, und sie warteten. Endlich sprach er weiter. »Die Glücklichsten von euch werden neunzehn Jahre überleben. Doch viele Jahre davon werden sie in Angst und Schrecken leben. Sie werden von den Morden an ihren Kameraden hören. Einer nach dem anderen. Jeden Tag werdet ihr in die Gesichter von Fremden starren und euch fragen, ob der gesichtslose Mörder unter ihnen ist. Und eines Tages wird er es sein. Das ist die Wahrheit.
Jetzt ist die Zeit gekommen, eine Wahl zu treffen. Reitet davon und lebt. Oder bleibt und lernt die unendliche Qual der Verdammten kennen.«
Einen Moment lang rührte sich niemand. Dann wendete der junge Maneas sein Pferd und galoppierte nach Norden davon. Einer nach dem anderen folgte ihm, bis nur ein dunkler Mann mit hängenden Schultern übrig blieb.
»Und was ist mit mir, Prophet?«, fragte er. »Gibt es auch für mich ein Glück, das ich finden kann?«
»Das gibt es jetzt, Lodrian. Jetzt kannst du nach Lentria gehen. Du wirst ein Dorf finden, und da du kaum Geld hast, nach Arbeit fragen. Eine junge Witwe wird dich bitten, ihr Dach zu reparieren. Das wird dein Leben verändern.«
»Ich danke dir«, sagte Lodrian. Er sah Tanya an. »Es tut mir Leid, dass wir dir Angst gemacht haben.« Damit ritt er davon.
Der Reiter stieg langsam ab. Tanya sah ihn dabei taumeln, und seine Armbrust fiel zu Boden. Er machte ein paar Schritte auf Gel zu, dann fiel er auf die Knie. Tanya lief zu ihm und legte ihm ihre Arme um die Schultern. »Du bist krank«, sagte sie. »Lass mich dir helfen.«
Der Mann schwankte, und mit einiger Mühe bettete Tanya ihn auf den Boden. Er lag auf der Wiese, sodass sein Kopf umgeben war von den verblühenden Frühlingsblumen. Er sah ihr in die Augen.
»Kenne ich dich, Herr?«, fragte sie.
»Nein. Wir … sind uns nie begegnet. Aber ich kannte einmal eine Frau, die war … wie du.«
»Mein Mann muss bald zurück sein. Er wird mir helfen, dich ins Bett zu bringen. Wir schicken nach dem Arzt.«
Seine Stimme war schwächer. »Ich werde nicht mehr am Leben sein, wenn er zurückkommt.« Sie nahm seine Hand und küsste sie.
»Du hast uns gerettet«, sagte sie mit Tränen in den Augen. »Es muss doch etwas geben, das wir für dich tun können!«
Das Hufgetrappel eines herannahenden Pferdes war zu hören. Angst überkam sie, und sie fuhr herum. Doch nicht die Räuber waren zurückgekehrt. Der Reiter war Dakeyras. Er sprang aus dem Sattel.
»Was ist passiert?«, fragte er. Sie erzählte von den Räubern und von der Ankunft des graugesichtigen Mannes.
»Sie wollten uns töten, uns alle. Ich weiß es«, schloss sie. »Er hat uns das Leben gerettet, Dak. Ich bin sicher, ich habe ihn schon einmal gesehen. Erkennst du ihn?«
Dakeyras kniete neben ihm nieder. »Er sieht vertraut aus«, sagte er. »Vielleicht war er Soldat.«
Klein Gellan kam herbeigelaufen. »Er hat die bösen Männer getötet, Vater. Und er machte, dass die anderen wegritten. Dann legte er sich hin und starb.«
Babygeschrei erklang im Haus. Tanya stand auf, um das Kind zu stillen.
Dakeyras ging zu der Stelle, wo die Armbrust des Fremden lag, und nahm sie zur Hand. Sie war vollkommen ausbalanciert und schön gearbeitet. Dakeyras streckte den Arm aus und schoss beide Bolzen ab. Sie flogen genau dorthin, wohin er gezielt hatte, nämlich in den Zaunpfosten, der etwa sieben Meter entfernt war.
Tanya trat in den Sonnenschein hinaus, einen der Zwillinge an der Brust.
Ihr Mann hielt die Armbrust in den Händen.
Plötzlich überlief sie ein Schauder.
»Alles in Ordnung?«, fragte er.
»Jemand ging gerade über mein Grab«, sagte sie.
ÜBER DEN AUTOR
David Gemmell wurde im Sommer 1948 in London geboren. Mit sechzehn flog er wegen Gründung eines Glücksspielsyndikats von der Schule. Tagsüber schlug er sich als Arbeiter durch, nachts verdiente er sich als Rausschmeißer in Nachtclubs in Soho etwas dazu, wobei ihm seine Größe von ein Meter
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