Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Waylander der Graue

Waylander der Graue

Titel: Waylander der Graue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
Vom Netzwerk:
Anspannung anzumerken.
    »Wie kommt es, dass du nicht wohlhabend bist?«, fragte Matze Chai.
    »Definiere Wohlstand«, antwortete Kysumu. Sein langes Gesicht war ausdruckslos wie immer.
    »Die Möglichkeit, alles zu kaufen, was man sich wünscht, wann immer man es wünscht.«
    »Dann bin ich wohlhabend. Alles, was ich mir wünsche, ist, jeden Tag etwas zu essen und etwas Wasser. Das kann ich mir leisten.«
    Matze Chai lächelte. »Dann lass mich die Frage anders formulieren: Wie kommt es, dass deine bekannten Fähigkeiten dich nicht mit reichlich Geld und Gold versorgt haben?«
    »Gold interessiert mich nicht.«
    Das wusste Matze Chai bereits. Es erklärte, warum Kysumu der am höchsten gelobte Rajnee in ganz Kiatze war. Jedermann wusste, dass der Schwertkämpfer nicht käuflich war und so niemals den Edelmann verraten würde, der ihn anstellte. Doch es war verblüffend, denn unter den Adligen Kiatzes war Loyalität immer eine Frage des Preises, und es war absolut akzeptabel, dass Krieger und Leibwachen ihre Treue einem anderen boten, wenn sie ein besseres Angebot bekamen. Intrigen und Verrat waren für die Lebensart der Kiatze typisch, wie tatsächlich für Politiker aller Völker. Das machte es umso seltsamer, dass Kysumu unter den verräterischen Adligen für seine Aufrichtigkeit verehrt wurde. Sie lachten nicht hinter seinem Rücken oder spotteten über seine »Dummheit«, obwohl sie ihren eigenen Mangel an Moral grell beleuchtete. Was sind wir doch für ein seltsames Volk, dachte Matze Chai.
    Kysumu hatte die Augen geschlossen und atmete tief. Matze Chai betrachtete ihn näher. Er war nicht mehr als eins fünfundsechzig groß, mit leicht hängenden Schultern. Er sah eher aus wie ein Gelehrter oder ein Priester. Das lange Gesicht und die leicht nach unten gezogenen Mundwinkel verliehen ihm einen Ausdruck von Melancholie. Es war ein gewöhnliches Gesicht, weder gut aussehend noch hässlich. Das einzig Auffallende war ein kleines purpurrotes Geburtsmal über seiner linken Augenbraue. Kysumu schlug die Augen auf und gähnte.
    »Warst du je in Kydor?«, fragte der Kaufmann.
    »Nein.«
    »Es ist ein unzivilisiertes Volk, und die Sprache verletzt sowohl das Ohr als auch den Geist. Sie ist kehlig und heiser. In keiner Weise musikalisch. Sprichst du Fremdsprachen?«
    »Ein paar«, antwortete Kysumu.
    »Die Menschen hier sind Abkömmlinge zweier Reiche, der Drenai und der Angostin. Beide Sprachen haben die gleiche Grundlage.« Matze Chai hatte gerade begonnen, die Geschichte des Landes zu umreißen, als die Sänfte plötzlich anhielt. Kysumu öffnete die Tür und sprang leichtfüßig zu Boden. Matze Chai läutete die kleine Glocke, und die Sänfte wurde auf dem felsigen Boden abgesetzt; jedoch nicht sanft, was ihn verärgerte. Er kletterte hinaus, um die Träger zu tadeln, doch dann sah er eine Gruppe Bewaffneter, die den Weg versperrten. Er betrachtete sie. Es waren elf Krieger, alle mit Schwertern und Knüppeln bewaffnet. Zwei trugen Langbögen.
    Matze Chai warf einen Blick auf seine sechs Leibwachen, die näher herangeritten waren. Sie sahen nervös aus, und das verstärkte Matzes Verärgerung. Sie waren angeblich Kämpfer. Sie wurden dafür bezahlt, Kämpfer zu sein.
    Er hob sein gelbes Gewand an, um es nicht staubig zu machen, und ging auf die Bewaffneten zu. »Einen guten Tag euch allen«, sagte er. »Warum habt ihr meine Sänfte aufgehalten?«
    Ein bärtiger Mann trat vor. Er war groß und breitschultrig, hatte ein Langschwert in der Hand, und zwei lange Krummmesser steckten in seinem breiten Gürtel. »Dies ist eine Zollstraße, Mandelauge. Niemand darf hier durch, ohne zu bezahlen.«
    »Und wie hoch ist der Preis?«, fragte Matze Chai.
    »Für einen reichen Ausländer wie dich? Zwanzig Goldstücke.« Links und rechts kam Bewegung auf, als noch ein Dutzend weiterer Männer hinter Felsen und Steinen auftauchte.
    »Der Preis scheint mir übertrieben«, sagte Matze Chai. Er wandte sich an Kysumu und sprach ihn auf Kiatze an. »Was meinst du?«, fragte er. »Es sind Räuber, und sie sind uns zahlenmäßig überlegen.«
    »Möchtest du sie bezahlen?«
    »Glaubst du, sie geben sich mit zwanzig Goldstücken zufrieden?«
    »Nein. Sobald wir ihren Forderungen nachgeben, werden sie mehr fordern.«
    »Dann möchte ich sie nicht bezahlen.«
    »Geh in deine Sänfte zurück«, sagte Kysumu leise, »und ich mache uns den Weg frei.«
    Matze Chai richtete seinen Blick wieder auf den bärtigen Anführer. »Ich schlage vor«, sagte

Weitere Kostenlose Bücher