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Waylander der Graue

Waylander der Graue

Titel: Waylander der Graue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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hatte.
    Matze Chai hatte viele solcher Zeichnungen in seinem Haus, von einigen der größten Meister Kiatzes. Kysumu war begabt, doch keineswegs außergewöhnlich. Seinen Bildkompositionen fehlte es, nach Matze Chais Ansicht, an der Harmonie der Leere. In Kysumus Arbeiten lag zu viel Leidenschaft. Kunst sollte nüchtern sein, bar menschlicher Gefühle. Kraftvoll und schlicht sollte sie Meditation anregen. Trotzdem, entschied Matze Chai, sollte ich ihm – am Ende der Reise – anbieten, ihm eine Skizze abzukaufen. Es wäre unhöflich, das nicht zu tun.
    Ein Diener brachte ihm einen Becher gewürzten Kräutertee, und da es kühl wurde, legte er einen pelzgefütterten Umhang um Matze Chais magere Schultern. Dann trugen zwei der Träger an gegabelten hölzernen Stöcken eine eisernes Becken mit glühenden Kohlen in Matze Chais Zelt und stellten es auf eine Zinnplatte, damit nicht etwa Funken die teuren Teppiche ansengen konnten.
    Der Zwischenfall mit den Räubern hatte sich als aufmunternd erwiesen. Wenn die Berge lautlos von der flüchtigen Natur des Menschen sprachen, hatte die plötzliche Gefahr zu Tage gebracht, wie sehr Matze Chai das Leben genoss. Es ließ gewahr werden, wie süß die Luft war, die er atmete, und wie sich die Seide auf seiner Haut anfühlte. Selbst der Tee, den er jetzt nippte, war fast unerträglich köstlich für den Gaumen.
    Trotz der Unannehmlichkeiten der Reise musste Matze Chai zugeben, dass er sich jetzt besser fühlte als seit Jahren. Er wickelte sich in den pelzgefütterten Umhang, lehnte sich zurück und musste plötzlich an Waylander denken. Es war sechs Jahre her, seit sie sich zuletzt begegnet waren, daheim in Namib.
    Matze Chai war damals erst kurz zuvor aus Drenan zurückgekehrt, wo er auf Waylanders Anweisung einen Schädel aus der Großen Bibliothek gekauft hatte. Dann hatte Waylander sein Haus verkauft und war nach Norden und Osten gereist, auf der Suche nach einem neuen Land und einem neuen Leben.
    So eine ruhelose Seele, dachte Matze Chai. Aber Waylander war ein Mann mit einer Mission, die niemals vollbracht werden konnte, auf einer Suche, geboren aus Verzweiflung und Sehnsucht. Zuerst hatte Matze Chai geglaubt, Waylander würde Erlösung für frühere Sünden suchen. Doch das stimmte nur zum Teil. Nein, was er suchte, war eine Unmöglichkeit.
    Eine Eule schrie in der Nähe und unterbrach Matze Chais Konzentration.
    Kysumu beendete seine Skizze und legte sie in die Ledermappe. Matze Chai bedeutete ihm, sich in den zweiten Sessel zu setzen.
    »Mir scheint«, sagte Matze Chai, »hätten die verbliebenen Räuber nicht in Panik die Flucht ergriffen, wärst du überwältigt worden.«
    »In der Tat«, erwiderte Kysumu.
    »Oder wenn meine Leibwache nicht die zweite Gruppe in genau diesem Moment angegriffen hätte, hätten sie zur Sänfte laufen und mich töten können.«
    »Hätten sie«, gab der Schwertkämpfer zu.
    »Aber du dachtest nicht, es wäre wahrscheinlich?«
    »Ich dachte überhaupt nicht daran«, sagte Kysumu.
    Matze Chai unterdrückte ein Lächeln, ließ jedoch das Gefühl warmer Zufriedenheit durch seinen Körper strömen. Kysumu war eine Freude. Der ideale Gefährte. Er schwätzte weder noch stellte er endlose Fragen. Er war genau genommen die Harmonie selbst. So saßen sie eine Weile. Dann wurde das Essen gebracht, und sie aßen schweigend.
    Nach Beendigung ihrer Mahlzeit erhob sich Matze Chai. »Ich werde jetzt schlafen«, sagte er. Kysumu stand auf, steckte Schwert und Scheide in seine Schärpe und schlenderte aus dem Lager.
    Der Hauptmann von Matze Chais Leibgarde, ein junger Mann namens Liu, trat auf seinen Herrn zu und verbeugte sich tief. »Darf ich fragen, Herr, wohin der Rajnee geht?«
    »Ich nehme an, er sucht nach den Räubern, für den Fall, dass sie uns folgen«, erklärte Matze Chai.
    »Sollten nicht ein paar Männer mit ihm gehen, Herr?«
    »Ich glaube nicht, dass er sie braucht.«
    »Jawohl, Herr«, sagte Liu, verbeugte sich und zog sich zurück.
    »Du hast heute gute Arbeit geleistet, Liu«, sagte Matze Chai. »Das werde ich bei unserer Rückkehr deinem Vater mitteilen.«
    »Danke, Herr.«
    »Aber du hattest Angst, nicht wahr, bevor der Kampf begann?«
    »Ja, Herr. Konnte man es sehen?«
    »Ich fürchte, ja. Versuch deinen Gesichtsausdruck ein wenig mehr zu beherrschen, sollte ein ähnlicher Zwischenfall eintreten.«
    Zuerst hatte der Palast des Grauen Mannes Keeva gleichzeitig erstaunt und enttäuscht. Es war schon dunkel, als sie ankamen. Sie waren

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