Waylander der Graue
Er hatte gehofft, dass die Reise von der feuchten, kalten Hauptstadt in das wärmere Klima von Carlis ihm Linderung verschaffen würde, doch bislang hatte sich wenig geändert. Auch hatte er gelegentlich Schwierigkeiten mit dem Atmen.
Er blickte zurück auf den Konvoi fünf schwer beladener Fuhrwerke. In dem ersten reisten seine Frau und ihre drei Kammerzofen. Sein fünfzehnjähriger Sohn Niallad ritt neben dem Konvoi, die Sonne glitzerte auf seiner neuen Rüstung. Elphons seufzte und trieb sein Pferd weiter.
Solange sie die Berge durchquerten, war das Wetter milde gewesen, doch als sie langsam auf die Ebene hinunterkamen, stieg die Temperatur. Zuerst war es eine angenehme Wärme gewesen, nach den kalten Bergwinden, doch jetzt wurde es allmählich unerträglich. Schweiß rann dem Herzog über das breite Gesicht. Er nahm den goldverzierten Eisenhelm vom Kopf und schob die Kapuze aus silbernen Kettenringen zurück, sodass sein dichter, ungebärdiger grauer Haarschopf zum Vorschein kam.
Sein schlanker Adjutant Lares, dessen Haar bereits von der Stirn zurückwich, ritt an seine Seite. »Ungewöhnlich heiß, Euer Gnaden«, sagte er, zog den Stopfen aus seiner lederbezogenen Feldflasche, goss Wasser auf ein leinenes Taschentuch und reichte es dem Herzog. Elphons wischte sich über das Gesicht und den Bart. Sofort fühlte sich der heiße Wind kühl auf der Haut an.
Er öffnete seinen roten Umhang und reichte ihn Lares.
Weit unten sah Elphons die Fuhrwerke des Handelskonvois in den tiefen Wald eindringen, der den lang gestreckten Cepharis-See säumte. Die Stimmung des Herzogs verfinsterte sich. Sie hatten den Konvoi zuerst am frühen Morgen als Staubwolke am Horizont gesehen. Langsam hatten sie aufgeholt und waren kaum einen Kilometer hinter ihm. Elphons hatte sich darauf gefreut, zum See zu kommen, die Rüstung abzulegen und in dem kühlen Wasser zu schwimmen, doch gefiel ihm der Gedanke nicht, ihn mit zwei Dutzend Kaufleuten und ihren Familien zu teilen. Wie immer wusste der junge Lares, was sein Herr dachte.
»Ich könnte hinunterreiten und sie bitten weiterzuziehen, Herr«, schlug er vor.
Es war ein verlockender Gedanke, doch Elphons verwarf ihn. Den Kaufleuten war nicht weniger warm als ihm, und der See war Allgemeingut. Es musste genügen, wenn der Herzog und sein Gefolge geduldig in der Nähe abwarteten. Die Kaufleute würden die Botschaft schon verstehen und rasch weiterziehen. Trotzdem, das hieß, dass der Konvoi des Herzogs den Rest des Tages den Staub schlucken musste, der von den Kaufleuten aufgewirbelt wurde.
Elphons tätschelte den schlanken weißen Hals seines Streitrosses. »Du bist müde, Osir«, sagte er zu dem Pferd, »und ich fürchte, ich bin auch nicht mehr so leicht wie früher.« Das Pferd schnaubte und warf den Kopf zurück.
Der Herzog stieß dem Pferd seine Fersen in die Flanken und setzte den langen Abstieg fort. Eine einzelne Wolke schob sich kurz vor die Sonne, und Elphons genoss ein paar Sekunden Erholung von der Hitze.
Dann war die Wolke weitergezogen. Mit der Aussicht auf den See, trank Elphons das letzte Wasser aus seiner Feldflasche und drehte sich im Sattel um, um seine Fuhrwerke zu beobachten, die langsam und vorsichtig bergab fuhren. Der Weg war steinig, und wenn ein Wagen nicht mit Geschick gelenkt wurde, konnte er leicht vom Weg abkommen und auf dem felsigen Abhang zerschmettert werden.
Seine Frau, die silberhaarige Aldania, winkte ihm zu, und er grinste zurück. Wenn sie lächelte, sah sie wieder jung aus, dachte er, und unendlich begehrenswert. Seit zweiundzwanzig Jahren waren sie verheiratet, und er vermochte sein Glück noch immer nicht zu fassen, dass er sie errungen hatte. Sie war die einzige Tochter von Orien, dem vorletzten König der Drenai, und war während des Krieges gegen Vagria aus ihrem Land geflüchtet. Damals war Elphons nur ein Ritter gewesen und war ihr in Gulgothir, der Hauptstadt von Gothir, begegnet. Unter normalen Umständen wäre eine Romanze zwischen einer Prinzessin und einem Ritter sehr kurzlebig gewesen, aber da ihr Bruder, König Niallad, von einem Attentäter ermordet wurde und das Reich Drenai in Scherben lag, gab es nur wenige Anwärter auf ihre Hand. Und nach dem Krieg, als die Drenai sich zu einer Republik erklärten, war sie noch weniger gefragt. Der neue Herrscher, der dicke Riese Karnak, machte deutlich, dass Aldiana zu Hause nicht mehr erwünscht war. Also hatte Elphons ihre Hand und ihr Herz errungen, hatte sie nach Kydor gebracht und
Weitere Kostenlose Bücher