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Waylander der Graue

Waylander der Graue

Titel: Waylander der Graue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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zum Herzog machen.
    Früher oder später werde ich Panagyn töten müssen, dachte er. Denn wenn er mich je umbringt, wird er dafür sorgen, dass mein Sohn noch am selben Tag ermordet wird. Elphons erkannte, dass die Angst vor einem solchen Geschehen schwer auf ihm lastete. Niallad war noch nicht bereit zu herrschen. Vielleicht wurde er das nie. Der Gedanke ließ ihn schaudern. Er blickte zum Himmel empor. »Gib mir noch fünf Jahre«, betete er laut zur QUELLE. In dieser Zeit könnte sich Niallad ja ändern.
    Der Herzog zog an den Zügeln, während seine Reiter ausschwärmten und in den Wald vordrangen. Nach wenigen Augenblicken galoppierten sie wieder aus dem Wald und zurück zum Konvoi. Der Hauptmann, ein junger Mann namens Korsa, brachte sein Pferd vor dem Herzog zum Stehen.
    »Es hat ein Massaker gegeben, Herr«, sagte er und vergaß ganz zu salutieren.
    Elphons starrte in das aschfahle Gesicht des jungen Mannes. »Massaker? Wovon redest du?«
    »Sie sind alle tot, Herr. Abgeschlachtet!«
    Elphons ließ sein Streitross in Galopp fallen, seine vierzig Lanzenreiter rissen ihre Tiere herum und folgten ihm.
    Alle Fuhrwerke standen etwa fünfzehn Meter vom Seeufer entfernt im Wald, doch die Pferde waren nicht zu sehen. Überall war Blut, es war gegen die Baumstämme gespritzt und sammelte sich in Pfützen auf der Erde. Elphons zog sein Langschwert und blickte sich um. Lares und Korsa stiegen ab, während die übrigen Reiter, mit gezogenen Waffen, nervös auf Befehle warteten.
    Ein kalter, winterlicher Wind blies über den See. Elphons schauderte. Dann stieg er vom Pferd und ging zum Seeufer. Erstaunlicherweise war Eis auf dem Wasser. Es schmolz rasch. Er schöpfte etwas in seine Hand. Der Boden knirschte unter seinen Füßen. Er steckte sein Schwert ein und ging zu Lares und Korsa zurück, die an einem umgestürzten Fuhrwerk nach Spuren suchten. Blut war auf dem zerschmetterten Holz verschmiert, und eine Blutspur wie die rote Schleimspur eines Riesenwurms führte vom Wagen weg tiefer in den Wald. Ein paar Büsche waren entwurzelt worden.
    Elphons wandte sich an einen der Soldaten. »Reite zurück und halte die Wagen von hier fern«, befahl er. Dankbar schwang der Mann sein Pferd herum und ritt davon.
    Überall war schmelzendes Eis. Der Herzog betrachtete prüfend den Boden. Er war stark aufgewühlt, doch er fand einen klaren Abdruck direkt hinter dem Wagen. Es sah aus wie die Fährte eines Bären, nur länger und dünner: mit vier Zehen und Krallen.
    In nur wenigen Augenblicken hatte sich etwas auf vierzig Kaufleute und ihre Familien gestürzt, sie und ihre Pferde getötet und in den Wald geschleppt. Das konnte nicht lautlos geschehen sein. Es musste Entsetzens- und Schmerzensschreie gegeben haben. Doch nur wenige hundert Meter entfernt hatte Elphons nichts gehört. Und wie konnte in dieser drückenden Hitze Eis entstehen?
    Elphons folgte der Blutspur ein Stück. Tote Vögel lagen am Boden, mit eisverkrusteten Federn.
    Lares trat zu ihm. Der junge Mann zitterte. »Wie lauten deine Befehle, Herr?«
    »Wenn wir den See auf der Nordseite umgehen, wann können wir dann Carlis erreichen?«
    »Bei Anbruch der Nacht, Herr.«
    »Dann werden wir das tun.«
    »Ich kann nicht begreifen, warum wir nichts gehört haben. Wir hatten den Wald doch die ganze Zeit im Blick.«
    »Hier war Zauberei im Spiel«, sagte der Herzog und schlug das Zeichen des Schützenden Horns. »Sobald meine Familie in Carlis in Sicherheit ist, komme ich mit Arics Truppen und einem Priester der QUELLE zurück. Was immer das Böse hier auch ist, es wird vernichtet, das schwöre ich.«
     
    Es war noch früh, als Waylander in die Bibliothek des Nordturms schlenderte und die gusseiserne Wendeltreppe zu der Abteilung Antike Bücher im dritten Stock emporstieg. Die drei Schüler der Priesterin Ustarte saßen an dem Tisch in der Mitte und blätterten prüfend durch Bücher und Schriftrollen. Sie blickten nicht einmal auf, als er eintrat.
    Seltsame Männer, dachte er. Trotz der dicken Steinmauern des Turms wurde es schon warm hier drinnen, und sie tragen schwere graue Gewänder mit Kapuzen, hatten sich Seidenschals um den Hals geschlungen und trugen dünne graue Handschuhe. Waylander grüßte sie im Vorbeigehen nicht, doch er fühlte ihre Augen im Rücken. Er gestattete sich ein schiefes Lächeln. Priester hatten ihn noch nie gemocht.
    Waylander blieb stehen und überflog die Regale. Mehr als dreitausend Dokumente waren hier gelagert, uralte, in Häute gebundene

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