Weasels: Donnereiche (Weasels 1) (German Edition)
aufschreckte und sich umsah.
Als die Morgendämmerung kam, war er überrascht festzustellen, dass er noch am Leben war. Er stand auf und ging zu einem der zerbrochenen Fenster, um hinauszusehen.
Ein staubiger Pfad führte von der Kirche aus in Richtung Norden. Er war bedeckt mit abgebrochenen Zweigen und Blättern und anderen Dingen, die der Sturm hergeweht hatte. Kunicht kam zu dem Schluß, dass ein Marsch auf dieser Landstraße eine Wohltat sein würde nach der Gottesprüfung in der Kirche.
Er blickte nach oben. Die Engel hockten immer noch auf den Dachsparren und sahen mit leeren Augen zu ihm herab. Immer wieder rutschten sie auf ihren Schlafplätzen herum wie Geier, die ihre Position auf einem Ast veränderten. Bei jeder dieser Bewegungen lief Kunicht ein Schauder den Rücken hinunter. Diese Geschöpfe überstiegen das Begriffsvermögen eines Wiesels. Sie waren unbeseelte Verkörperungen mythischer Geschöpfe, ohne Vernunft und Verstand, ohne irgendetwas außer dem Wunsch, den Ort zu finden, von dem sie ursprünglich gekommen waren. Wer vermochte zu sagen, zu welchen Handlungen ihr Instinkt sie veranlassen mochte? Der Angriff auf ein Wiesel mochte der Laune eines Augenblicks entspringen.
Kunicht eilte durch den Gang und die Stufen hinunter in die Krypta. Eine Kerze flackerte immer noch in einer Steinnische und warf ihr blassgelbes Licht in den düsteren Raum.
»Los jetzt, aufwachen, aufwachen«, rief Kunicht mit gespielter Unbefangenheit. »Frisch und munter ans Tagewerk!«
Kein einziges Wiesel rührte sich in diesem Raum der Gräber. Nur das Kratzen von Käfern und das Flüstern von Mäusen war zu hören. Kunicht sah zu der Stelle, wo sich Grind niedergelassen hatte. Da war nichts. Dann sah er dorthin, wo Sylber geschlafen hatte. Auch dieser Platz war leer. Anscheinend waren die Wiesel weggegangen. Panik wallte in Kunichts Brust auf wie ein Fluss, der aus der Quelle sprudelt.
Aber wohin waren sie gegangen? Die große Kirchentür war die ganze Nacht über geschlossen geblieben, sonst hätte Kunicht ihr Quietschen gehört. Sie konnten bestimmt nicht durch eines der hoch oben liegenden Fenster hinausgeklettert sein. Sie hätten sich im Dunkeln an dem Glas geschnitten.
Also blieb für Kunicht nur eine einzige Schlussfolgerung übrig. Die beiden Wiesel waren von ihren Lagerstätten verschwunden, hier unten in der Krypta. Entweder waren sie mit spirituellen Mitteln entfernt worden oder sie hatten einen Geheimgang entdeckt.
»O Gott«, stöhnte Kunicht. »Was soll ich jetzt bloß machen?«
Dreiunddreißigstes Kapitel
Trotz seines Unbehagens, was seine eigene Sicherheit anbetraf, durchsuchte Kunicht die Krypta, indem er zwischen den Sarkophagen herumkroch. Das dauerte eine geraume Zeit, weil es mehrere Abteilungen gab, die durch rostige Eisenabsperrungen voneinander getrennt waren und sich über die ganze Fläche unter der Kirche erstreckten. Schließlich kam er zu einer Stelle am Boden, wo ein Grabstein zur Seite geschoben worden war und er sich einem großen rechteckigen Gähnen gegenübersah. »O du meine Güte«, sprach er zu sich selbst. »Das muss die Stelle sein.«
Gerade als er sich über das Loch im Boden beugte, erlosch die flackernde Kerze mit einem leisen Pfff vollends, sodass tiefste Dunkelheit ihn umgab. Er wurde von einem so Schwindel erregenden Taumel der Angst ergriffen, dass er kopfüber in die Grube fiel. Brüllend stürzte er in die Tiefe und landete mit einem Plumps am Boden der Gruft auf dem Rücken.
Der Geruch war grauenhaft und Kunicht würgte. »Uch!«, stöhnte er. »Ich muss hier raus!«
Die Schwärze war lähmend. Er versuchte, die Wände der Gruft zu erfühlen, damit er hinaufklettern könnte, doch seine Pfoten griffen ins Leere. Schließlich wurde ihm bewusst, dass er sich vorwärts bewegte, wobei er sich den Weg durch die Dunkelheit ertastete. Nach einer Weile gelangte er in eine Höhle, in die durch winzige Löcher in der Decke ein wenig Licht hereinfiel. Ekel schüttelte ihn, als er sah, dass er von Skeletten und Leichen umgeben war, die zu Haufen aufgetürmt waren, und ihm wurde klar, dass er sich mitten im eigentlichen Friedhof befinden musste, außerhalb der Kirchenmauern.
»Grind?«, brüllte er. »Sylber?«
Von keinem seiner Kameraden erhielt er eine Antwort. Falls sie irgendwo in der Nähe waren, dann waren sie entweder tot oder bewusstlos. Kunicht durchquerte die Höhle, wo Särge in der Schwebe hingen, halb vergraben über ihm, wo sie sich teilweise durch die
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