Weatherly , L.A. - Dämonen des Lichts
dieselbe«, hatte sie mir erzählt. »Die Ärzte können katatonische Schizophrenie diagnostizieren, bis sie schwarz werden, aber ich kenne die Wahrheit. Er hat Mirandas Seele zerstört … und ihren Verstand.«
Das eine Mal, als ich versucht hatte, Moms Gedanken zu lesen, hatte ich in ihrer Erinnerung einen kurzen Blick auf ihn erhaschen können. Und er sah so unheimlich aus, dass es mich bei dem Gedanken, mit ihm verwandt zu sein, schauderte. Wenigstens hatte er beschlossen, sich aus dem Staub zu machen und uns beide aus seinem Leben zu tilgen. Meinen Segen hatte er.
Tante Jo kam mit einem Teller voller Kekse zurück ins Zimmer. »Willow, du hast gestern Abend mindestens die halbe Packung aufgegessen«, sagte sie ärgerlich. »Du weißt ganz genau, dass ich vorm Schlafengehen gerne was zum Knabbern habe. Es ist nicht besonders nett, wenn einem alles weggefuttert wird.«
Ich stieß einen Seufzer aus, während ich immer noch Mom ansah. »Entschuldigung«, murmelte ich und stand auf. Tante Jo drehte den Fernseher lauter. Ich küsste Mom auf die Wange und ging nach oben in mein Zimmer. Mühsam bahnte ich mir einen Weg zwischen den Bergen von Gerümpel, die sich wie von selbst auf der Treppe und dem Treppenabsatz zu vermehren schienen.
Nachdem ich die Tür hinter mir zugemacht hatte, stand ich eine Zeit lang da und starrte auf mein Zimmer: Das Bett mit dem üppigen Betthimmel aus lavendelfarbenem Chiffon, die violetten und silbernen Wände, die ich eigenhändig gestrichen hatte – all das kam mir völlig unwirklich vor. Beths Engel war real. Nachdem sie bei mir gewesen war, musste sie geradewegs zu ihm gegangen sein. Wahrscheinlich hatte sie ihm alles erzählt – und dann war er, auf der Suche nach mir, hierhergekommen. Meine Gedanken drehten sich im Kreis. Wem konnte ich mich anvertrauen? Wen konnte ich um Hilfe bitten? Nina würde mich auslachen. Tante Jo? Ha.
Ruhig, ganz ruhig. Denk darüber nach. Ich holte tief Luft, setzte mich aufs Bett und zwang mich, die verworrenen Bilder, die ich in Beths zweiter Zukunft gesehen hatte, noch einmal durchzugehen. Dabei versuchte ich, mich an jedes noch so winzige Detail zu erinnern. In einem dieser vorbeiwirbelnden Gedankenschnipsel war dieses Ding in der Church of Angels gewesen und später waren dort weitere Wesen seiner Art aufgetaucht.
Waren das wirklich Engel?
Meine Kopfhaut prickelte. Ich stand wieder auf, ging zu meinem Schreibtisch hinüber und schaltete meinen Computer ein. Ich habe ihn von einem Teil des Geldes, das ich mit meiner Wahrsagerei verdient habe, gekauft. Er ist ziemlich alt und braucht eine halbe Ewigkeit, um hochzufahren. Nachdem er sich endlich ausgesummt und ausgesurrt hatte, ging ich ins Internet. Die Suche nach Church of Angels ergab Millionen von Treffern. Ich klickte auf den ersten Link und eine hypermoderne Homepage baute sich langsam auf meinem Bildschirm auf. Da war die weiße Kirche aus der Fernsehwerbung, die von der Sonne angestrahlt wurde. »Church of Angels, Hoffnung für alle … auch für dich«, lautete die Bildunterschrift. Ich verzog mein Gesicht. Ich weiß, dass Religion sehr vielen Menschen etwas gibt, und für die ist das ja auch eine feine Sache. Aber etwas, das »Hoffnung für alle« verspricht, finde ich persönlich eher beunruhigend – erst recht nach der Sache mit Beth.
Ich klickte den Button ganz oben auf der Seite an, auf dem »Mehr Informationen« stand. Ein Videofenster öffnete sich und plötzlich startete der Church of Angels -Werbefilm. Ein graues, regengepeitschtes Feld; Gras, das sich langsam im Wind wiegte. »Bist du verzweifelt?«, fragte eine Stimme. Kameraschwenk in die Totale. Auf dem Feld erschien eine weiße Kirche. Als die Kamera noch weiter wegfuhr, sah man eine Menschenmenge, die sich den Berg hinaufschlängelte: Hunderte von Leuten strömten auf die Kirche zu, die jetzt riesiger wirkte als die gewaltigste Kathedrale. Die Sonne kam heraus und ließ den weißen Stein funkeln. Die Menschen blieben stehen, hoben lächelnd den Blick und sonnten sich in ihren Strahlen.
»Fühlst du dich von Gott verlassen? Gib die Hoffnung nicht auf … Selbst wenn Gott nicht existiert, die ENGEL sind für dich da.«
Eine Frau mittleren Alters stand vor der Kamera und sagte: »Die Engel haben mir das Leben gerettet.« Ihre entrückten braunen Augen leuchteten. »Sie sind die reine Liebe, und was sie für mich getan haben, können sie auch für dich tun.« Unbehagen durchzuckte mich. Sie sah aus und klang genau wie
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