Weber David - Schwerter des Zorns - 3
entscheidet, ihr Leben selbstbestimmt zu führen. Lillinara macht keinerlei Unterschiede zwischen den Mädchen und Frauen, die Ihren Schutz suchen.
Sollte eine Organisation, die Sie als Schutzpatronin in Anspruch
nimmt, etwa tun, was Sie selbst niemals billigen würde?«
Unerschrocken erwiderte sie den Blick der Domina. In ihren Augen lag kein Ärger, keine Verzweiflung und auch kein unterwürfiges Flehen, sondern nur Trotz. Sie wollte wissen, ob Yalith bereit
war, die Vorstellungen zu verwirklichen, denen sie ihr ganzes Leben
gewidmet hatte.
Das Schweigen im Zimmer wurde nur durch das Knistern des Kaminfeuers gestört. Kaeritha spürte die Spannung, die zwischen Yalith und Leeana herrschte, aber sie selbst war bloße Zuschauerin
und blieb außen. Eine solche Rolle war ein Paladin des Tomanâk
nicht gewöhnt. Doch Kaeritha wusste, dass niemand diesen Kampf
für Leeana ausfechten konnte. Sie musste ihn allein gewinnen.
Schließlich seufzte Yalith und setzte sich auf ihren Schreibtischstuhl, zum ersten Mal, seit Leeana und Kaeritha in ihr Zimmer geführt worden waren.
»Ihr habt Recht«, erklärte die Domina. »Die Mutter weiß, dass mir
lieber wäre, es wäre anders«, fuhr sie ironischer fort, »weil das hier
Shîgûs Albtraum auf uns ziehen wird. Doch Ihr habt Recht. Wenn
ich Euch wegschicke, schicke ich jede Frau weg, die vor einer unerträglichen ›Ehe‹ flieht, die sie sonst nicht verweigern kann. Also
bleibt uns wohl keine Wahl, Milady, meint Ihr nicht auch?«
Sie sprach den Titel mit einer gewissen Bissigkeit aus, es war jedoch offensichtlich, dass sie sich entschieden hatte. Gleichzeitig
klangen ihre Worte merkwürdig formal, und Kaeritha wurde klar,
dass sie Leeana warnen wollte. Sollte Baron Tellians Tochter bei den
Kriegsbräuten aufgenommen werden, würde niemand sie jemals
wieder mit diesem Titel ansprechen.
»Nein, Domina.« Leeanas leise Stimme verriet, dass sie diese Warnung begriffen hatte. »Wir haben keine Wahl. Keine von uns.«
»Baron Tellian ist da. Er verlangt Euch zu sprechen – und seine
Tochter.«
Yalith sah ihre Helferin ernüchtert an und bedachte anschließend
Kaeritha mit einem Blick, der besagte: »Seht nur, in was für einen
Schlamassel Ihr mich hineingeritten habt.« Kaeritha musste ihr zugute halten, dass sich dieser Vorwurf nur schwach auf der Miene
der Domina abzeichnete. Yalith wandte sich wieder der Frau zu, die
in der geöffneten Tür des Zimmers stand.
»War das Eure Wortwahl, Sharral, oder seine eigene?«
»Meine«, gab Sharral mit einem Anflug von spitzbübischem Humor zu. »Er war durchaus höflich, in Anbetracht der gegebenen
Umstände. Aber er ist trotzdem recht… nachdrücklich.«
»Das dürfte wohl niemanden überraschen.« Yalith rieb sich die
Nase und verzog spöttisch das Gesicht. »Ihr habt ja gesagt, dass der
Baron Euch dicht auf den Fersen ist, Dame Kaeritha«, bemerkte sie.
»Trotzdem hätte ich gern etwas mehr Zeit gehabt, wenigstens eine
Stunde, um mich auf dieses… besondere Gespräch vorzubereiten.«
»Ich auch«, gab Kaeritha zu. »Ehrlich gesagt, eine gewisse feige
Stimme in meinem Herzen fragt sich, ob dieses Zimmer nicht vielleicht eine Hintertür hat.«
»Wenn Ihr ernsthaft glaubt, dass ich Euch ungeschoren davonkommen lasse, Milady, habt Ihr Euch gewaltig geirrt«, erwiderte Kalathas Bürgermeisterin nachdrücklich, und Kaeritha lachte.
Es war kein fröhliches Lachen, denn sie freute sich nicht gerade
auf diese ganz gewiss peinliche Auseinandersetzung. Andererseits
hatte sich die Spannung zwischen ihr und Yalith gelegt, nachdem
diese ihre Entscheidung getroffen hatte. Mittlerweile schätzte Kaeri
tha die Domina erheblich mehr, als sie es anfangs für möglich gehalten hatte. Trotzdem schlichen die beiden Frauen wie zwei Katzen
mit gesträubtem Rückenfell umeinander herum, die nicht genau
wussten, ob sie ihre Krallen einfahren sollten oder nicht. Kaeritha
konnte nicht sagen, woran das lag, doch es kümmerte sie auch nicht
weiter. Sie würden noch genug Zeit haben, um ihr Fell zu glätten,
vorausgesetzt, sie überstanden ihr Gespräch mit Tellian.
»Ich glaube, Ihr solltet ihn nun hereinführen, Sharral«, meinte Yalith nach kurzer Zeit.
»Jawohl, Domina.« Sharral zog sich zurück und schloss hinter sich
die Tür.
Fast unmittelbar danach schwang sie wieder auf und Baron Tellian
schritt hindurch. Es wäre vielleicht übertrieben gewesen, seine Körperhaltung ›bedrohlich‹ zu nennen, aber genau dieses Wort schoss
Kaeritha durch den Kopf.
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