Weber David - Schwerter des Zorns - 3
sondern nur noch ein besorgter Vater. »Warum habt Ihr es nicht getan?
Es wird Hanatha das Herz brechen, so wie es das meine schon gebrochen hat.«
»Weil es ihre Entscheidung war«, sagte Kaeritha liebevoll. »Ich bin
keine Sothôii, Tellian. Ich will nicht vorgeben, dass ich Euer Volk
oder Eure Sitten und Traditionen ganz verstehe. Aber als Eure Tochter aus dem Regen und der Nacht an mein Feuer geritten kam, ganz
allein, ist sie nicht vor Eurer Liebe oder vor der von Hanatha weg gelaufen. Sie ist dort hin gelaufen.«
Jetzt konnte Tellian die Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie rannen über seine zerfurchten Wangen in seinen Bart hinein. Kaeritha
brannten ebenfalls die Augen.
»Das ist ihre Botschaft an Euch«, fuhr die Amazone ruhig fort. »Sie
kann Euch niemals sagen, wie sehr sie all die Schmerzen bedauert,
die ihr Handeln Euch und Eurer Gemahlin zufügt. Aber sie weiß
auch, dass dies nur der erste Heiratsantrag war. Es hätte weitere gegeben, wenn Ihr diesen Antrag ausgeschlagen hättet, Tellian, das
wisst Ihr. Genauso wie Euch klar ist, dass auf Grund der Tatsache,
wer Leeana und vor allem, was sie ist, jeder dieser Anträge aus den
falschen Gründen gemacht worden wäre. Euch dürfte weiterhin bewusst sein, dass Ihr sie nicht alle hättet ablehnen können, jedenfalls
nicht, ohne einen verheerenden politischen Preis dafür zu zahlen.
Leeana mag erst vierzehn Jahre alt sein, aber dies ist ihr ebenfalls
vollkommen klar. Deshalb hat sie die einzige Entscheidung getroffen, die ihr blieb. Nicht um ihretwillen, sondern für die, die sie so
liebt.«
»Aber wie konnte sie uns auf diese Weise verlassen?« Tellians
Stimme klang vor Sorge ganz belegt. »Das Gesetz wird sie uns wegnehmen, wie es uns auch von ihr trennt, Kaeritha! Jeder, den sie
einst kannte, alles, was sie jemals besaß, wird ihr genommen! Wie
konntet Ihr zulassen, dass sie einen solchen Preis zahlte, ganz gleich,
was sie wollte?«
»Wegen der Person, die sie ist«, antwortete Kaeritha bewegt.
»Nicht wegen dem, was sie bedeutet, nicht weil sie die Tochter eines
Barons ist, sondern wegen der Frau, die sie ist und zu der ihr sie gemacht habt. Ihr habt sie so selbstbewusst erzogen, dass sie sich einer
lebenslangen Strafe als hochwohlgeborene Zuchtstute für einen Kerl
wie diesen Schwarzenberge niemals fügsam unterwerfen würde.
Und Ihr habt sie zu liebend aufgezogen, als dass sie jemandem wie
ihm oder Baron Cassan gestatten würde, sie als Waffe gegen Euch
zu missbrauchen. Ihr und Hanatha habt eine junge Frau großgezogen, die stark und liebend genug ist, ihren gesellschaftlichen Rang
und all ihre Geburtsprivilegien aufzugeben, den Schmerz zu ertragen, von Euch wegzulaufen und selbst das Wissen auszuhalten, wie
viel Gram Euch ihre Entscheidung bereiten würde. Sie hat das nicht
getan, weil sie närrisch, verdorben oder aufsässig gewesen wäre,
und ganz bestimmt auch nicht, weil sie dumm war. Sie hat es getan,
weil sie ihre Eltern so sehr liebt.«
Tellian weinte jetzt ungehemmt. Kaeritha trat zu ihm und legte
ihm die Hände auf die Schultern.
»Was hätte ich angesichts von so viel Liebe tun können, Tellian?«,
fragte sie sehr leise.
»Nichts«, flüsterte er, senkte den Kopf und ließ den Dolchgriff los.
Dann legte er seine Hand auf die ihre, die bereits auf seiner linken
Schulter ruhte.
Er blieb fast eine Ewigkeit so stehen. Dann holte er tief Luft,
drückte leicht Kaerithas Hand, hob den Kopf und wischte sich die
Tränen aus den Augen.
»Ich wünsche mir wirklich aus ganzem Herzen, sie hätte das nicht
getan.« Seine Stimme klang nicht mehr gebrochen, aber noch immer
leise. »Ich hätte niemals einer Ehe mit jemandem zugestimmt, den
sie nicht heiraten wollte, ganz gleich, was mich das politisch gekostet hätte. Ich nehme an, das wusste sie?«
»Ja, das wusste sie«, stimmte Kaeritha mit einem traurigen Lächeln
zu.
»Obwohl ich mir wünsche, dass sie es nicht getan hätte, kenne ich
doch die Gründe, aus denen sie es getan hat. Ihr habt Recht, was es
auch immer gewesen war, es war sicher nicht die Entscheidung eines schwächlichen Feiglings. Trotz all der Trauer und des Leides,
das ihr Entschluss über mich und Hanatha bringen wird, und auch
über Leeana selbst – ich bin auch stolz auf sie.«
Er schüttelte den Kopf, als könnte er seinen eigenen Worten nicht
glauben. Dann hielt er inne und nickte stattdessen.
»Ich bin tatsächlich stolz auf sie.«
»Dazu habt Ihr auch allen Grund«, antwortete Kaeritha schlicht.
Sie sahen sich eine Weile
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