Weber David - Schwerter des Zorns - 3
Er war von Kopf bis Fuß mit Schlamm bespritzt und sein Aussehen zeigte, wie lange und angestrengt er geritten sein musste, um Kalatha zu erreichen. Und verriet auch seine
Mühe, den Vorsprung einzuholen, den der Paladin und seine Tochter vor ihm gehabt hatten. Selbst seinen Windrenner musste diese
Eile angestrengt haben, und Kaeritha vermutete, dass die Männer
seiner Leibgarde, die nicht auf Windrennern ritten, zwei oder gar
drei Pferde mitgenommen hatten, um sie unterwegs zu wechseln.
Oder aber sie hatten sich an jedem Leihstall neue Pferde genommen.
»Baron.« Yalith erhob sich hinter ihrem Schreibtisch, um ihn zu begrüßen. In ihrer Anrede schwangen Respekt und auch so etwas wie
Mitgefühl mit. Dennoch klang sie selbstsicher. Sie erkannte seinen
Rang und seine verständliche Sorge als Elternteil an, gleichzeitig jedoch erinnerte sie ihn daran, dass dies hier ihr Zimmer war… und
dass die Kriegsbräute im Lauf der Jahrhunderte viele besorgte Eltern erlebt hatten.
»Domina Yalith.« Tellians Blick zuckte von ihr zu Kaeritha, aber er
begrüßte die Amazone nicht. Kaeritha fragte sich unwillkürlich, ob
das ein schlechtes Zeichen war.
»Ich nehme an, Ihr wisst, warum ich hier bin.« Wieder sah er die
Domina an. »Ich möchte meine Tochter sehen. Sofort.«
Seine helle Tenorstimme klang beherrscht und knapp, beinahe
barsch, und der Blick seiner Augen war so hart wie Flusskiesel.
»Leider ist das nicht möglich«, antwortete Yalith. Tellian furchte
bedrohlich die Stirn und holte für eine scharfe Antwort tief Luft.
Aber Yalith kam ihm zuvor.
»Die Gesetze und Gepflogenheiten der Kriegsbräute sind in diesem Punkt bedauerlicherweise ausgesprochen unzweideutig, Milord.« Kaeritha fand die Stimme der Domina bemerkenswert ruhig.
»Leeana hat um Aufnahme bei den Kriegsbräuten nachgesucht.
Weil sie erst vierzehn Jahre alt ist, muss sie sich einer sechsmonatigen Probezeit unterziehen, bevor wir ihr letztes, bindendes Gelübde
annehmen. In dieser Zeit dürfen ihre Familienangehörigen zwar per
Brief oder Boten mit ihr kommunizieren, nicht jedoch persönlich. Ich
möchte klarstellen, dass sie bei ihrer Ankunft nicht wusste, bei uns
eine Probezeit absolvieren zu müssen, oder dass es ihr verboten sein
würde, in dieser Zeit mit Euch zu sprechen. Als ich ihr davon berichtete, bat sie Dame Kaeritha, für sie mit Euch zu sprechen.«
Tellians Kiefer verkrampfte sich bei den Worten der Domina.
Selbst wenn es zuvor noch fraglich gewesen wäre, ob er wütend
war, jetzt konnte daran nicht mehr der geringste Zweifel bestehen,
denn seine rechte Hand schloss sich drohend um den Griff seines
Dolches. Doch er war ein mächtiger Adliger, der gelernt hatte, seine
Miene und auch seine Zunge zu hüten, selbst im Zorn. Also schluckte er die wütende Erwiderung herunter, die ihm auf der Zunge lag,
und atmete einmal tief durch, bevor er antwortete.
»Meine Tochter«, er sah Yalith an, als wäre Kaeritha gar nicht anwesend, »ist jung – und wie ich nur zu gut weiß, ausgesprochen
dickköpfig. Gleichzeitig ist sie jedoch ebenso klug, was auch immer
ich von dieser jüngsten Eskapade halte. Sie weiß, wie tief ihr Verhalten ihre Mutter und mich zu schmerzen vermag. Ich kann nicht
glauben, dass sie im Augenblick nicht mit mir reden will. Ich will
nicht behaupten, dass sie sich auf dieses Gespräch freut oder glücklich darüber wäre, aber weder ist sie so herzlos noch in Unkenntnis
darüber, wie sehr wir sie lieben, dass sie sich weigern würde, mich
zu empfangen.«
»Ich sagte nicht, dass sie sich geweigert hätte, Milord. Im Gegenteil. Sie war fast außer sich, als sie erfuhr, dass es ihr unmöglich ist,
mit Euch persönlich zu reden. Unglücklicherweise gewähren mir
unsere Gesetze keinerlei Spielraum. Nicht aus Hochmut oder Grausamkeit, sondern um die Bewerberinnen davor zu schützen, eingeschüchtert oder dahingehend beeinflusst zu werden, dass sie ihre
Meinung gegen ihren freien Willen ändern. Ich darf Euch jedoch sagen, falls Ihr mir das gestattet, dass ich noch nie eine Bewerberin gesehen habe, die sich mehr danach gesehnt hätte, mit ihren Eltern zu
sprechen. Gewöhnlich ist das Letzte, was eine junge Frau, die sich
zu den Kriegsbräuten flüchtet, will, ihre Familie zu sehen, vor der
sie geflohen ist. Leeana empfindet ganz und gar nicht so, und sie
wäre hier, wenn es in ihrer Macht läge. Dem ist jedoch nicht so, und
leider liegt es auch nicht in meiner.«
Tellians Knöchel wurden weiß, so fest umklammerte er den Dolchgriff. Und er
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