Weber David - Schwerter des Zorns - 3
blähte die Nasenflügel. Dann schloss er kurz die Augen
und schlug sie anschließend langsam wieder auf.
»Verstehe.« Seine Stimme klang so kalt wie ein Grab. Aber für
einen Mann, dem man gerade mitgeteilt hatte, dass seiner über alles
geliebten Tochter verwehrt wurde, mit ihm zu sprechen, klang er
bemerkenswert beherrscht. Sein Blick glitt zu Kaeritha, und sie erkannte den glühenden Zorn in ihrem Blick, die verzweifelte Liebe
und den Schmerz über den Verlust.
»In diesem Fall«, fuhr er in demselben eisigen Ton fort, »bleibt mir
nichts übrig, als mir die Nachricht anzuhören, die mir meine Tochter ausrichten durfte.«
Yalith zuckte bei dem Schmerz in seiner Stimme unmerklich zusammen, gab aber nicht nach. Kaeritha fragte sich, wie viele Gespräche wie dieses sie wohl im Lauf der Jahre bereits erlebt hatte.
»Das solltet Ihr, Milord«, erklärte die Domina ruhig. »Möchtet Ihr,
dass ich hinausgehe, solange Ihr mit Dame Kaeritha sprecht? Sie
kann Euch dann offen bestätigen, was ich gesagt habe und dass Leeana freiwillig und aus eigenem Antrieb zu uns gekommen ist.«
»Ich wüsste es zu schätzen, wenn ich unter vier Augen mit Dame
Kaeritha sprechen kann«, erwiderte Tellian. »Aber nicht, weil ich
auch nur einen Augenblick lang bezweifle, dass es gänzlich Leeanas
Idee war. Was andere Adlige den Kriegsbräuten auch vorwerfen
mögen, mir ist vollkommen bewusst, dass meine Tochter aus eigenem Antrieb zu Euch gekommen ist und Ihr sie nicht dazu ›verführt‹ habt. Ich will nicht verhehlen, dass ich wütend bin, sogar sehr
wütend, oder dass ich es Euch zutiefst verüble, dass Ihr mir verweigert, mich mit ihr sprechen zu lassen. Aber ich kenne meine Tochter
viel zu gut, um auch nur eine Sekunde lang anzunehmen, dass jemand anders sie hätte überreden oder zwingen können, gegen ihren
Willen hierher zu kommen.«
»Dafür danke ich Euch, Milord.« Yalith senkte dankend den Kopf.
»Ich bin selbst Mutter und habe mit Leeana gesprochen. Ich weiß,
warum sie zu uns gekommen ist. Sie hat diese Entscheidung nicht
getroffen, weil sie Euch und ihre Mutter nicht liebte oder bezweifelte, dass Ihr sie ebenso liebtet. In vielerlei Hinsicht ist dies die traurigste Bewerbung, die mir in meinem Amt jemals untergekommen
ist. Ich bin Euch sehr dankbar, dass Ihr trotz der Wut und der Gram,
die Ihr, wie ich weiß, empfindet, versteht, dass es ihre Entscheidung
war. Jetzt lasse ich Euch und Dame Kaeritha allein. Falls Ihr mich
anschließend noch zu sprechen wünscht, stehe ich Euch selbstverständlich zur Verfügung.«
Sie verbeugte sich erneut, diesmal tiefer, und ließ Tellian und Kaeritha allein in ihrem Zimmer zurück.
Einige Sekunden lang stand der Baron schweigend da und starrte
Kaeritha an, während sich seine Hand um den Griff des Dolches
verkrampfte und wieder löste.
»Man könnte behaupten, dass Ihr mir meine Gastfreundschaft
schlecht vergeltet, Dame Kaeritha«, sagte er schließlich barsch.
»Zweifellos, Milord.« Kaeritha bemühte sich, so ruhig und friedfertig wie möglich zu antworten. »Wenn Ihr das so empfindet, bedauere ich es zutiefst.«
»Das kann ich mir vorstellen.« Er sprach jedes einzelne Wort langsam und deutlich aus, doch es klang eher so, als würde er es von einer ehernen Platte abbeißen. Dann schloss er die Augen und schüttelte sich.
»Ich wünschte mir«, fuhr er fort, »Ihr hättet sie mir zurückgebracht.« Seine Stimme klang nun sanfter, da die Gram seine Wut
übermannte. »Als meine Tochter, mein einziges Kind, in der Dunkelheit zu Euch kam, Kaeritha, dort am Rand dieser Straße, während
sie von dem einzigen Zuhause, das sie kannte und auch vor Hanathas und meiner Liebe davonlief, hättet Ihr den Wahnsinn dessen,
was sie vorhatte, erkennen und sie noch aufhalten können.« Er öffnete die Augen und sah ihr ins Gesicht. Seine eigene Miene wirkte
schmerzverzerrt und in seinen Augen schimmerten unvergossene
Tränen. »Sagt mir nicht, dass Ihr sie nicht hättet davon abhalten
können, ihr Leben wegzuwerfen, alles und jeden wegzuwerfen, das
und den sie kannte. Nicht, wenn Ihr es wirklich versucht hättet.«
»Das hätte ich gewiss tun können«, erwiderte Kaeritha unerschütterlich, ohne sich seiner Trauer und seinem Schmerz zu verschließen. »Trotz ihrer Entschlossenheit und ihres Mutes hätte ich sie aufhalten können, Milord. Und ich hätte es beinahe auch getan.«
»Warum dann, Kaeritha?«, fragte er fast flehentlich. Jetzt war er
kein Baron mehr, nicht mehr der Lordhüter des West-Geläufs,
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