Weber David - Schwerter des Zorns - 3
aufgelauert und dich abgefangen, um dich für etwas zu tadeln, von dem wir beide wissen, dass du es liebst, es jedoch nicht
tun solltest.«
»Das weiß ich, Mutter, aber…«
»Es gibt in diesem Punkt kein Aber, Leeana«, unterbrach ihre Mutter sie streng und dennoch mitfühlend. »Vielleicht sollte es Ausnahmen geben, aber es gibt keine. Du darfst keine langen, einsamen
Ausritte mehr unternehmen. In den Augen deiner Standesgenossen
ist es schon schlimm genug, wenn du dich so kleidest wie du es jetzt
tust«, sie deutete auf Leeanas Lederhose und die verschlissene Tunika, »aber das zumindest will ich dir nicht verwehren. Ich möchte
zwar, dass du dich – bei gewöhnlichen Anlässen und wenn wir Gäste haben – kleidest, wie es deinem Rang und Alter entspricht. Doch
wenn du im Stall bist oder im Garten arbeitest oder die Landschaft
unsicher machst, habe ich nichts gegen bequeme Kleidung einzuwenden. Obwohl sie etwas weniger abgetragen und… enger sein
könnte als diese da.«
Leeana atmete erleichtert aus, doch ihre Mutter war noch nicht fertig. Sie sprach in demselben liebevollen und dennoch unerbittlichen
Tonfall weiter.
»Aber auf einer Forderung muss ich bestehen, Leeana. Falls du ihr
nicht zustimmen kannst, wirst du, fürchte ich, keine Ausritte mehr
ohne die ständige Überwachung durch deinen Vater machen dürfen.«
Leeana schluckte ahnungsvoll. Sie konnte an den Fingern einer
Hand abzählen, wie oft ihre Mutter ihr gegenüber diese schlichte
Autorität ausgeübt hatte.
»Du wirst niemals mehr ausreiten, ohne dass dich nicht wenigstens Tarith begleitet«, sagte Hanatha. »Niemals, hast du das verstanden, Leeana?«
»Aber Mutter…!«
»Ich sagte, in diesem Punkt gibt es kein Aber«, unterbrach ihre
Mutter sie entschieden. »Ich will nicht unnachsichtiger sein als nötig, aber ich erwarte jetzt, dass du gehorchst. Außerdem habe ich bereits mit Tarith gesprochen.« Tarith Schildarm war Leeanas persönlicher Leibwächter seit den Tagen, da sie laufen lernte. »Ihm ist klar,
dass er für mich nicht die Rolle eines Berichterstatters spielen soll.
Es ist wichtig, dass du ihm vertraust, wie du es schon immer getan
hast. Deshalb habe ich ihn angewiesen, dass er mir und deinem Vater keine Rechenschaft über dein Kommen und Gehen ablegen
muss, solange sichergestellt ist, dass du nicht ohne ihn kommst oder
gehst. Ich muss wohl nicht hinzufügen, dass dies nur für Balthar
gilt. Hier kennt dich jeder, und wir können darauf vertrauen, dass
du sicher bist, auch wenn dich nur Tarith begleitet. Das gilt jedoch
nicht für andere Orte, und ich erwarte von Tarith, dass seine Pflicht,
dich zu beschützen die Verantwortung deinem Vertrauen gegenüber überwiegt.«
Leeana sah ihre Mutter bestürzt an. Sie wusste, dass Tarith sein
Leben opfern würde, um sie zu schützen. Außerdem würde er ihre
Privatsphäre und die Vertraulichkeit von allem, was sie sagte, respektieren und bewahren, vorausgesetzt er verletzte nicht seinen
Treueid dem Baron gegenüber. Er gehörte in jeder Hinsicht bis auf
seine Abstammung zur Familie und war wie ein geliebter Onkel für
Leeana, dessen Fürsorge zwar manchmal etwas lästig wurde, dessen
Zuneigung und felsenfeste Verlässlichkeit jedoch vollkommen außer
Frage standen. Die Entscheidung ihrer Mutter jedoch – und Leeana
wusste, dass die Baronin eine unanfechtbare Entscheidung getroffen
hatte – bedeutete das Ende aller wahren Eigenständigkeit. Schlimmer noch, es war zudem eine sanfte, liebevolle Erklärung, dass man
ihr nicht mehr gestatten würde, nicht einmal kurz, zu vergessen,
dass sie die Erbin von Balthar und dem WestGeläuf war.
Tränen schimmerten auf ihren Wimpern, und ihre Mutter seufzte.
»Es tut mir Leid, Leeana«, sagte sie bedauernd. »Ich wünschte, ich
könnte dir erlauben zu reiten, wo immer es dir beliebt, mit oder
ohne Wachen. Aber das ist unmöglich, Liebes. Nicht einmal mehr
hier in Balthar. Die Lage zwischen deinem Vater und dem Rat, und
seinen Geschäften mit Prinz Bahzell und dessen Vater…« Sie schüttelte den Kopf. »Wir haben zu viele Feinde, Leeana. Zu viele Menschen, die auf jede nur erdenkliche Weise gegen deinen Vater vorgehen würden. Es ist noch gar nicht so lange her, dass Entführungen
und erzwungene Heiraten geduldet wurden, auch wenn man durchaus die Nase darüber rümpfte. Ich glaube zwar nicht, dass jemand
so dumm sein kann zu glauben, dass dein Vater irgendeinen Mann
am Leben ließe, der dich auch nur gegen deinen Willen berührte.
Aber einige seiner
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