Weber David - Schwerter des Zorns - 3
Gehirn beeinträchtigt. Deshalb ist es auch nicht Bahzells Schuld, dass er nicht
lesen kann.«
Er grinste Brandark an. Seinem Lächeln war keine Spur des glühenden Hasses auf das Volk der Blutklingen mehr anzumerken, mit
dem er Brandark begegnet war, als der damals mit Bahzell in Hurgrum eingetroffen war.
»Da wir gerade von rätselhaften Schriften sprechen«, sagte Kaeritha, während sich Tala lächelnd zurückzog. Der weibliche Paladin
des Tomanâk klang wie eine Erwachsene, die weise einen Streit zwischen Kindern verfolgt. »Bist du bei deinen Streifzügen durch Tellians Bibliothek zufällig auf ein Exemplar der Charta der Kriegsbräute gestoßen, Brandark?«
»Ich habe nicht gerade danach gesucht«, antwortete die Blutklinge.
»Obwohl ich mich den Kriegsbräuten gewidmet habe, nachdem Tellian und du neulich morgens darüber gesprochen habt. Bisher bin ich
jedoch noch nicht weit gekommen. Vermutlich befindet sich allerdings eine Abschrift dieser Charta irgendwo zwischen den Büchern
und Pergamenten. Soll ich danach suchen?«
»Ich weiß nicht.« Kaeritha verzog das Gesicht. »Mir ist eben erst
klar geworden, dass ich nur erschreckend lückenhafte Kenntnisse
über die Kriegsbräute besitze. Tellians Annahme, mein Auftrag hier
hätte sehr wahrscheinlich etwas mit ihnen zu tun, könnte stimmen.
Nur weiß ich weit weniger über die Gesetze der Sothôii als über die
der Axtmänner. Wenn ich die Ansprüche der Kriegsbräute prüfen
soll, wäre es gewiss ganz nützlich, ihre Privilegien genauer zu kennen.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob es genügt, einfach nur einen Blick auf
ihre ursprüngliche Charta zu werfen«, mischte sich Bahzell ein. Er
lehnte sich zurück und sein Stuhl ächzte bedrohlich unter seinem
Gewicht.
»Und warum nicht?«, wollte Kaeritha wissen.
»Die Kriegsbräute sind bei den Sothôii, gelinde gesagt, nicht sonderlich beliebt«, erklärte Bahzell. »Ich will keine Haarspaltereien betreiben, aber es gibt mehr als genug Sothôii, die sich eher mit einer
Angriffsarmee der Hradani in ihrem Land abfinden können, als mit
einer Freistadt der Kriegsbräute.«
»Sind ihnen diese Kriegerinnen wirklich so verhasst?« Kaeritha
schien überrascht. Bahzell zuckte die Achseln.
»Eine Angriffsarmee dürfte ihnen wahrscheinlich nur die Dächer
über den Köpfen anzünden, Kerry. Und Dächer lassen sich irgendwann wieder aufbauen. Doch die Veränderung einer Lebensweise
rückgängig zu machen ist ein klein wenig schwieriger.«
»Und genau eine solche Veränderung würde unser durchschnittlicher Sothôii fürchten, wenn eine Schar Kriegsbräute in der Nachbarschaft einziehen würde«, meinte Brandark.
Kaeritha nickte, war aber nach wie vor verwundert. Wie sie Leeana schon erzählt hatte, war sie als Bauerntochter in Moretz geboren
worden. Die dortige Gesellschaft war mindestens ebenso patriarchalisch wie die der Sothôii, aber Kaeritha war aus Moretz geflohen, als
sie noch jünger gewesen war als Leeana jetzt. Anschließend war sie
im Reich der Axt erzogen worden, wo Frauen weit mehr Rechte und
Möglichkeiten genossen, als sie den Frauen der Sothôii gewährt
wurden.
»Ich glaube, du hast noch zu viel von einer Axtfrau in dir, Kerry«,
erklärte Bahzell. »Gerade du solltest mittlerweile begriffen haben,
wie schwer es einem Sothôii schon fällt, sich auch nur mit der Vorstellung abzufinden, dass Frauen als Kriegerinnen dienen.«
Kaeritha nickte wieder, diesmal etwas nachdrücklicher, und Bahzell lachte leise. Er mochte seine Lage als Hradani in Sothôii schwierig finden, aber Kaeritha erging es kaum wesentlich besser. Was der
Provokateur vor dem Tempel bereits unmissverständlich deutlich
gemacht hatte. Tellians Männer und die der Stadtwache nahmen
sich zwar ein Beispiel an ihrem Lehnsherren und erwiesen ihr denselben Respekt und dieselbe Ehrerbietung, die jeder Paladin des Tomanâk erwarten konnte. Dennoch war ihnen anzumerken, dass sie
einen weiblichen Paladin vollkommen widernatürlich fanden.
»Nachdem sich unsere Völker fast eintausend Jahre lang gegenseitig massakriert haben«, meinte Brandark, »muss man den Sothôii sicher einiges nachsehen. Eines wird man ihnen jedoch niemals vorwerfen können, nämlich dass sie Neuerungen besonders aufgeschlossen gegenüberstünden, schon gar nicht, was ihre Traditionen
und Sitten betrifft. Wir dürfen uns von Tellians Verhalten nicht täuschen lassen. Er ist in diesem Punkt mit Sicherheit der radikalste Sothôii, den ihr jemals finden werdet. Während die echten
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