Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weck mich am Arsch!

Weck mich am Arsch!

Titel: Weck mich am Arsch! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Prestenbach
Vom Netzwerk:
wie ein Rennauto fühle. Aber auch als Oldtimer kann ich mich nach einer Tasse Koffeinkonzentrat ein klein wenig schneller bewegen. Also ist die Motivation groß genug, nun die erste komplexere Handlung des Tages in Angriff zu nehmen: Ich mache mir einen Espresso.
    Man muss sich einmal überlegen, wie viele Einzelschritte notwendig sind, um ein Tässchen frisch zubereiteten Espresso in Händen zu halten. Allerdings hat mein Körper diese Prozedur durch tausendfache Wiederholung so in sich aufgenommen, dass ich sie sogar am frühen Morgen mit schlafwandlerischer Sicherheit bewerkstelligen kann. Ein deutlicher Hinweis auf den Grad meiner Abhängigkeit von dem kostbaren Lebenselixier, welches der Herrgott wahrscheinlich direkt nach den Menschen erschaffen hat. Ich stelle mir das ungefähr so vor: Erst kam Adam, dann schnitzte er aus der Rippe Adams Eva und dann war er so erschöpft, dass er erst einmal eine Tasse Kaffee brauchte.
    Wie dem auch sei, sobald eine Tasse dieses schwarzen Goldes in den Tiefen meiner Innereien versickert ist, bin ich bereit, die ersten zusammenhängenden Sätze des neuen Tages zu sprechen. Bis dahin bin ich konsequent jeglicher Konversation aus dem Weg gegangen und auch jetzt sollte sich ein eventuelles Gespräch nur um Dinge drehen, welche ich nicht zu einem späte ren Zeitpunkt besprechen kann. Dinge wie: »Wann kommst du heute noch einmal nach Hause?« oder »Viel Glück bei der Mathearbeit!«
    Am liebsten spreche ich am frühen Morgen aber gar nicht, denn egal, wie sehr ich mich um einen freudigen Unterton in meiner Stimme bemühe, man unterstellt mir grundsätzlich miese Laune. Vielleicht liegt es ja an meiner hartnäckigen Weigerung, zu solch früher Stunde »Guten Morgen« zu sagen. Ein genuscheltes »Morgn« muss reichen, denn ich weiß wirklich nicht, was am frühen Morgen »gut« sein soll. Wenn es nach mir ginge, würde der »Gute Morgen« komplett aus unserer Sprache gestrichen werden. Ganz so, wie es in den romanischen Sprachen schon lange üblich ist. Weder im Italienischen, noch im Spanischen oder Französischen findet man diese unnötige Höflichkeitsfloskel. Dort verwendet man einfach morgens schon den Standardgruß »Guten Tag«, also Buon giorno , Buenos Dias oder Bonjour . Die Leute dort scheinen genau zu wissen, dass man am Morgen nichts Gutes finden kann, egal wie lange man sich das gegenseitig wünscht. Dass wir Deutsche bezüglich des frühen Morgens aber geradezu besessen sind, zeigt sich deutlich an einer weiteren sprachlichen Besonderheit: Im Deutschen folgt auf den »Morgen« der »Vormittag«. Die Tageszeit, die im Französischen hingegen als matin und im Englischen als morning bezeichnet wird, umfasst beides, den Morgen wie auch den Vormittag. Warum brauchen die Menschen, die diese Sprachen sprechen, keine solch genaue Unterscheidung, wie es sie im Deutschen gibt? Vermutlich weil man über den frühen Morgen einfach nicht sprechen mag und weil der Morgen dort zur gleichen Uhrzeit anfängt, zu der bei uns Deutschen der Vormittag beginnt.
    Es ist also in keiner Weise Ausdruck von schlechter Laune, wenn ich mich morgens weigere »Guten« Morgen zu sagen, es zeugt schlicht von meinem Sprachgefühl und meinem Kampf für die Rechte der Langschläfer. Trotzdem glaubt meine Familie, ich wäre ein Mensch mit notorisch schlechter Laune am frühen Morgen. Oder, um es mit ihren Worten auszudrücken, ein »Morgenmuffel«. Natürlich musste ich mir dieses Schimpfwort in meinem Leben schon viele Male gefallen lassen. Auf Nachfrage konnte mir bisher aber niemand sagen, was einen Morgenmuffel denn ausmacht und woher dieses dumme, hässliche Wort eigentlich kommt. Einen »Muff« kenne ich, da steckt man im Winter seine Hände zum Wärmen rein. Aber einen »Muffel«? Was, bitte, ist das? Keiner von denen, die mir dieses Schimpfwort so leichtfertig an den Kopf werfen, hatte bisher eine passende Erklärung parat. Immerhin konnte ich nach langem Suchen eine Definition im Internet finden:
    Mo.r•gen•muf•fel der; gespr, oft hum; jemand, der morgens nach dem Aufstehen oft schlechte Laune hat und wenig spricht.
    Quelle : TheFreeDictionary.com
    Ich frage mich, wer sich solchen Blödsinn ausgedacht hat. »Morgenmuffel« – wenn überhaupt, dann müsste es »Frühmorgenmuffel« heißen, aber auch das klingt noch

Weitere Kostenlose Bücher