Weck mich am Arsch!
Langschläfer regelmäÃig vor den Kopf gestoÃen werden. Aber woher kommt das? Warum haben Langschläfer im Gegensatz zu Frühaufstehern einen so furchtbar schlechten Ruf? Was bringt Menschen dazu, über andere zu lästern, die morgens lieber ihr gesundes Schlafbedürfnis befriedigen, statt sich mit dem Folterinstrument Wecker selbst aus dem Schlaf zu reiÃen?
Für die Beantwortung all dieser Fragen reichen vier Buchstaben: Neid.
Fakt ist: Der überwiegende Teil unserer Gesellschaft hat morgens keine Lust aufzustehen. Trotzdem quälen sich diese Menschen jeden Morgen aus dem Bett. Weil sie schon in frühester Kindheit gelernt haben, dass das »normal« ist. Und weil sie denken, sie haben keine andere Wahl.
Wie reagiert so ein Mensch, wenn er sieht, dass andere sich die Freiheit nehmen, morgens auszuschlafen? Mit Neid, mit Fassungslosigkeit und meistens auch mit blöden Sprüchen.
»Der Schlaf ist der gröÃte Dieb, er raubt das halbe Leben«, weià der Volksmund beispielsweise zu berichten. Ein solcher Volksmund hat in meinen Augen mächtig Mundgeruch. Dieser Spruch stinkt zum Himmel! Und er beweist: Schlafentzug macht dumm! Denn nur ein unausgeschlafener Frühaufsteher kann auf so eine wirre Idee kommen. Der Schlaf ein Dieb? Im Gegenteil: Schlaf ist ein Segen! Langer, ausgiebiger Schlaf schenkt uns jeden Tag frische Energie und hält uns gesund.
»Wer länger schläft als sieben Stundâ, verschläft sein Leben wie ein Hund.« Auch hier zeigt sich klar die Einfalt der Frühaufsteher. Ein Hund »verschläft« sein Leben nicht, er genieÃt es. Hunde müssen sich nicht selbst ernähren und können daher ihre Zeit so einteilen, wie es ihnen passt. Ob sie den ganzen Tag spielen, schlafen oder mit dem Schwanz wedeln wollen â kein schlechtes Gewissen und kein Artgenosse hält sie ab. Also, was ist so schlimm daran, sein Leben wie ein SchoÃhündchen zu verbringen? Aber genau hier liegt der Hase im Pfeffer. Der Mensch als »Krone der Schöpfung« ist zu Höherem geboren. Er darf sich nicht einfach wohlfühlen, er muss seinen Beitrag zum Bruttosozialprodukt leisten und wahlweise seiner Regierung, seinem Gott oder beiden dienen. Wer einfach sein Dasein genieÃt, ist kein Mensch. Oder um es mit Shakespeare zu sagen: »Was ist der Mensch, wenn seiner Zeit Gewinn, sein höchstes Gut nur Schlaf und Essen ist? Ein Vieh, nichts weiter.« ( Hamlet ) Um »Mensch« zu sein, müssen wir also permanent nach Höherem streben, auch wenn wir dabei so schreckliche Dinge wie Atombomben und FlieÃbandarbeit erfinden.
Seltsamerweise hatten bereits die Römer vor 2000 Jahren ähnlich schräge Vorstellungen. So schrieb Publius Cornelius Tacitus über die Germanen »Wenn sie nicht zu Felde ziehen, verbringen sie viel Zeit mit Jagen, mehr noch mit Nichtstun, dem Schlafen und Essen ergeben.« Die Botschaft, die Tacitus damit an seine Zeitgenossen richtete, war eindeutig: Die Germanen sind zwar gute Jäger und Kämpfer, ansonsten aber unzivilisierte Barbaren. Und diese Botschaft hat für Langschläfer bis heute ihre Gültigkeit bewahrt. Wer in unserer Gesellschaft dazugehören möchte, der muss erfolgreich sein, und das geht nach landläufiger Meinung nur dann, wenn man morgens früh aufsteht.
Sie denken anders? Glauben Sie wirklich? Dann machen Sie doch spaÃeshalber mal diesen Assoziationstest: Formen Sie aus den zwölf folgenden Wörtern, ohne lange nachzudenken, zwei Gruppen mit jeweils sechs Wörtern:
Student, Langschläfer, Manager, Hartz-IV-Empfänger, Frühaufsteher, Bankier, Pünktlich, Erfolglos, Gepflegt, Langhaarig, Erfolgreich, Durchgeknallt
Bei über 90 Prozent aller Befragten lautet das Ergebnis:
⢠Student, Langschläfer, Hartz- IV -Empfänger, Erfolglos, Langhaarig, Durchgeknallt
⢠Manager, Frühaufsteher, Bankier, Pünktlich, Erfolgreich, Gepflegt
Dabei wird die einfachste Lösung dieser Aufgabe schlichtweg übersehen. Man könnte nämlich genauso gut die ersten sechs der zwölf Wörter in einer Gruppe von Substantiven und die letzten sechs in einer Gruppe von Adjektiven zusammenfassen. Stattdessen macht man lieber einmal wieder die Langschläfer schlecht.
Vorurteile können hartnäckig sein. Es gibt unzählige davon, die immer noch zum »Allgemeinwissen« gehören, obwohl sie längst widerlegt wurden. Auch
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