Weg da das ist mein Fettnapfchen
hatten. Jamie war so geschminkt, dass sie ausgehungert und ausgemergelt wirkte, wohingegen ich mit meinem verschmierten roten Lippenstift und der blonden, im Suff verrutschten Lockenperücke wie die Personifizierung von Bette Davis rüberkam.
Mein Traum wurde wahr.
Nach und nach trudelten all unsere Gäste ein, aber mehr als ein vages Lächeln erntete ich nicht. Kein anerkennendes Nicken, nichts. Aber es war mir egal. Jamie und die Leute, die wussten, dass wir die Hudson-Schwestern darstellten – darunter auch meine Freundin Nancy, die als Vampirkönigin gekommen war –, belegten die Küche mit Beschlag, damit Jamie an die Soßen herankam. Ich ließ sie für eine Minute allein – nur für eine Minute, ich schwöre –, um ein paar andere Freunde zu begrüßen, und als ich zurückkehrte, lag Mamas Alk-Tüte nicht länger in Jamies Reisetasche, sondern stand mit dem blauen Seidenschal um den Hals neben Jamie auf ihrem fahrbaren Thron.
»Wie lange geht das schon so?«, fragte ich Oliver und das alte Großmütterchen, die beide nur die Achseln zuckten, während Jamies betrunkenes Lachen, das ich nur allzu gut kenne, an meine Ohren drang. Wenn Jamie zu viel intus hat, schließt sie immer die Augen, wirft den Kopf in den Nacken und reißt die Hände hoch. Und sie fasst die Leute an, was Jamie im normalen Leben niemals tun würde. Und ich wusste, dass es, wenn sie einen gewissen Punkt überschritten hatte – dem sie im Übrigen bereits gefährlich nahe war –, kein Halten mehr geben und unser toller Abend damit enden würde, dass entweder die Stimmung kippte oder ich sie innerhalb einer Stunde im Hundekörbchen wiederfand, wo sie ein kleines »Nickerchen« hielt.
»Keine Ahnung«, sagten die anderen wie aus einem Munde. »Aber bitte zwing sie nicht, mit dem Trinken aufzuhören. Sie ist absolut köstlich.«
»Wie viel hast du getrunken?«, fragte ich, schnappte mir ein Glas und füllte es mit Wasser. »Ist dir klar, wie alt wir sind? Wir haben schon ganz poröse Knochen. Was, wenn du die Treppe hinuntergefallen wärst? Willst du ein Glas Wasser?«
»Klar«, sagte sie achselzuckend und nickte, wobei ihr Kopf wie eine Boje auf dem offenen Meer wippte. »Was ist da drin?«
»Wasser«, erklärte ich und reichte es ihr. »Mit einem Schuss Wasser.«
»Oh. Gut.« Sie nahm mir das Glas aus der Hand. »Ich hätte gern noch ein Stück Quiche dazu. Mit einem Schuss Wasser? Gibt’s das auch?«
Mit dem größten Vergnügen, dachte ich. Alles, was nötig ist, um die Badewanne voll Wodka aufzusaugen, die mittlerweile jede Zelle ihres Körpers flutete. Ich rannte los, holte ihr ein Stück Quiche und drückte es ihr in die Hand, als sie endlich aufhörte zu lachen. Sie schob sich das ganze Stück auf einmal in den Mund, kicherte und nahm noch einen Schluck.
O Mann, dachte ich. Mir war klar, dass für heute Abend im wahrsten Sinne des Wortes Hopfen und Malz verloren waren, aber wenn sie genug Flüssigkeit zu sich nahm, würde sie sich mit etwas Glück ersparen, den morgigen Tag mit trockenem Würgen und Schwindelanfällen in meinem Gästezimmer zu vergeuden (wobei der Begriff »Gästezimmer« in diesem Fall ziemlich hoch gegriffen war, da es sich in Wahrheit lediglich um eine Luftmatratze auf dem Fußboden im Arbeitszimmer meines Mannes handelte). Ich konnte nicht fassen, dass sie sich ohne mich betrunken hatte. Sie war abgegangen wie eine Rakete, ganz allein! Außerdem hatte ich vorgehabt, am nächsten Tag Brötchen mit Bratensoße essen zu gehen, quasi als Tag-nach-meinem-Geburtstags-Feier, und irgendjemand würde mitkommen müssen, selbst wenn sie ihren Privatkotzkübel auf dem Schoß halten musste. Obwohl sich ihre Handtasche in der Vergangenheit zu diesem Zweck als durchaus brauchbar erwiesen hat.
Plötzlich hörte ich ein lautes Japsen, und als ich mich umdrehte, sah ich, wie Jamies Augen zuerst groß wurden, sich dann mit Tränen füllten und schließlich aus den Höhlen zu quellen drohten.
»Was ist los?«, fragte ich, doch statt einer Antwort drang nur ein weiterer erstickter Laut aus ihrem Mund.
Die Quiche! Sie steckt in ihrer Luftröhre! Scheiße, sie hat sich verschluckt. Sie erstickt! Sie erstickt!
Jamies Hände hoben sich abrupt und legten sich um ihre Kehle, als sie verzweifelt um Atem rang.
Ihr Gesicht lief unterdessen tiefrot an.
Ich durfte keine Zeit verlieren. Keiner würde ins Gras beißen, solange er sich unter meinem Dach befand, unabhängig von seinem Alter, der Wahrscheinlichkeit, dass er keinen
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