Weg da das ist mein Fettnapfchen
zu erwecken. Behutsam führte ich Jamie/Blanche durchs Wohnzimmer zu einem Rollstuhl, den ich mir in einem Sanitätsgeschäft geliehen hatte und der jetzt in der Ecke auf seinen Einsatz wartete.
»Ohhh«, säuselte sie mit dramatischer Stimme – mehrere Oktaven tiefer als sonst – und schlüpfte unverzüglich in die Rolle der sanftmütig-duldsamen Blanche.
»Du hast ja dein Happa-happa gar nicht gegessen«, tadelte ich lachend und spielte auf die Szene an, in der Jane ihrer Schwester ihren gefiederten Freund auf einem Silberteller vorsetzt.
»Würde ich nicht in diesem Rollstuhl sitzen, könntest du mir all diese abscheulichen Dinge nicht antun!«, schoss Blanche in bester Joan-Crawford-Manier vorwurfsvoll zurück.
»Aber du sitzt nun mal drin, Blanche, du sitzt nun mal in diesem Rollstuhl«, erwiderte ich und riss die Hände hoch wie Bette Davis.
Es war eine göttliche Vorstellung. Schon jetzt war klar, dass dies ein Abend werden würde, an den alle noch lange zurückdenken würden. Nachdem wir das Essen vorbereitet hatten und die ersten Gäste eintrudelten, parkte Jamie ihren Rollstuhl in der Küche, ging zur Frühstücksecke und begann in ihrer Reisetasche zu wühlen. Schließlich zog sie etwas heraus.
»Was ist denn das?«, fragte ich argwöhnisch.
»Mamas Alk-Tüte«, antwortete sie sachlich und schlitzte mit der chirurgischen Präzision eines Falken beim Zerlegen eines Lemmings den Verschluss einer Flasche Absolut Vodka auf.
Schnell war klar, dass die Mehrzahl der Freunde meines Ehemanns keine Ahnung hatte, wen Jamie und ich darstellten, was mich nicht weiter überraschte. Auf einer Party vor einigen Jahren hatte ich mich mit einem ärmellosen schwarzen T-Shirt und einer blonden Langhaarperücke im Cher-Stil verkleidet und eine Babypuppe aus Plastik zwischen zwei Stück Ciabattabrot geklemmt. Das war meine Version von Ann Coulter, die mit ihren Äußerungen über die sogenannten »Anker-Babys« und deren Legitimation als Bürger der USA , unabhängig vom Immigrantenstatus ihrer Eltern, für einigen Wirbel gesorgt hatte. Ich fand die Idee, sie mit meiner Verkleidung aufs Korn zu nehmen, absolut genial und riss überall, wo ich gerade stand, das Maul auf. Aber die Leute lächelten nur höflich und suchten das Weite, sobald ich auftauchte. Nicht ein einziger Gast schrie: »Ein Baby! Fanatikerin! Großmaul! Du bist Ann Coulter!« Aus irgendeinem Grund erkannten dafür alle auf den ersten Blick meinen Ehemann als Hamid Karzai, obwohl er sich ein Fleischbällchen nach dem anderen in den Mund schob, die offenkundig nicht halal waren. Die Einzigen, die nicht wussten, was sie mit seiner Verkleidung anfangen sollten, waren meine Freunde, die mich verwirrt ansahen und fragten: »Ich glaube, allmählich dämmert’s mir … Ist dein Mann Omar Sharif aus Doktor Schiwago ?«
Ich war zutiefst enttäuscht, dass sich mein Ann-Coulter-Kostüm als derartiger Flop entpuppt hatte, und grübelte die nächsten elf Monate über eine witzige, boshafte Verkleidung nach, die jeder auf den ersten Blick erkennen würde. Eines Tages kam mir die Idee. Nicht im Traum, sondern als ich mir auf TMZ .com ein Video von Anna Nicole Smith ansah, wie sie, unübersehbar vollgedröhnt bis unter die Hutschnur, durch ihre Wohnung wankte. Ihr Gesicht war angemalt wie ein Clown bei einem Kindergeburtstag, und sie brabbelte ständig vor sich hin, sie hätte Bauchweh, aber das liege nicht daran, dass sie schwanger sei, sondern schlicht und einfach furzen müsse. Irgendwann schnappt sie sich eine Babypuppe, hebt sie hoch und behauptet steif und fest, das sei ein echtes Baby. In diesem Moment war mir alles klar. Genau die gleiche wie meine, dachte ich. Die Puppe aus meinem Ann-Coulter-Sandwich!!
Ich kaufte mir noch eine blonde Perücke, Clownsschminke und ein Bettlaken als Imitation von Annas togaartigem Gewand. Ich sammelte sogar Tablettenröhrchen und schrieb Annas Namen drauf, die ich mit Klebeband an der Toga befestigte.
Und dann starb sie. Aber ich war nicht bereit, meinen Traum und mein Superkostüm in den Wind zu schreiben. Im Gegenteil. Ich fand, meine Darstellung der versoffenen, völlig fertigen Anna Nicole mit ihrem weiß, grün und rot geschminkten Gesicht war lediglich ein Tribut an ihre Einzigartigkeit.
Allerdings war mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst, dass ich Jahr für Jahr an einem stocklangweiligen Spiel namens » MACH DEN ENGLISCHSTUDENTEN FERTIG « teilnahm, das ganz einfach zu gewinnen war, wenn man nicht gerade eine
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