Weg da das ist mein Fettnapfchen
direkt gegenüber von unserem Haus befindet. Ich telefonierte gerade mit meiner Schwester, als Bennet eintraf. Als mein Mann mir zurief, sie würden jetzt gehen, legte ich auf, um seinen neuen Kumpel zu begrüßen. Er war sehr nett und höflich, vielleicht ein klein wenig reserviert, womit ich allerdings kein Problem hatte, schließlich hatte er mich noch nie vorher gesehen. Schüchternheit ist völlig in Ordnung. Er heißt Bennet und befasst sich mit Shakespeare, sagte ich mir. Also beschloss ich, das Eis zu brechen, indem ich die Geschichte wiedergab, die mir meine Schwester gerade am Telefon erzählt hatte.
Ihr Sohn Nicholas, der zu diesem Zeitpunkt neun Jahre alt war, hatte gerade eine Mathematikauszeichnung bekommen, was ein ziemliches Wunder war, da außer unserem Vater keiner in unserer Familie Bruchrechnen beherrschte. Das Talent des Jungen konnte sich noch als höchst praktisch beim Aufschneiden von Geburtstagskuchen erweisen, wenn das Familienoberhaupt einmal nicht zur Verfügung stand. Außerdem sei er einem Orchester beigetreten und nehme neuerdings Klarinettenunterricht, wovon wir indessen weniger begeistert waren. Nicht dass es schlimm wäre, wenn jemand gern Klarinette spielen will, aber wenn der kleine Kerl in einem T-Shirt, das ihn offiziell als Mathegenie auswies, mit einer Zahnspange und einer Klarinette unterm Arm durch die Gegend lief, müsste selbst ich ihn vermöbeln.
Allerdings war Nicholas, der kleine Perfektionist, ziemlich frustriert, weil meine Schwester das Instrument nur geliehen hatte, statt ihm eines zu kaufen. Aber eine Klarinette kostet nun mal schlappe vierhundertfünfzig Dollar aufwärts, deshalb erschien es uns nicht angemessen, so viel Geld für etwas hinzublättern, von dem wir hofften, dass er ohnehin bald das Interesse daran verlieren würde.
»Zumindest ist ihm noch nicht klar geworden, dass eine ganze Wagenladung anderer Kinder vor ihm dieses Ding schon mal im Mund hatte«, erklärte ich den beiden Männern lachend. »Meine Schwester meinte, er lege sich mächtig ins Zeug, richtig zu spielen, schiebe sich das Ding aber jedes Mal so weit rein, dass er fast würgen muss.«
Ich hatte angenommen, dass zumindest mein Mann darüber lachen würde, stattdessen standen die beiden da und lächelten mich nur höflich an, was definitiv nicht die Reaktion war, die ich mir erwartet hatte. Ich meine, mein Neffe erstickt halb an einem Holzblasinstrument, das ihm noch nicht mal gehört – das ist doch rasend komisch! Ich gelangte daher zu dem Schluss, dass ich das Ganze vielleicht nicht plakativ genug beschrieben hatte, und fügte hinzu: »Manche Leute kommen vielleicht auf Ideen … Sieht nicht unbedingt gut aus bei einem Fünftklässler.«
Wieder nichts als schmallippiges Lächeln. Und ich kapierte es einfach nicht. Die Geschichte war doch absolut witzig. Hatte ich irgendetwas unterschlagen, oder wieso fiel der Groschen nicht?
Und dann tat ich es. Das Undenkbare. Nur um auch ganz sicher zu sein, dass meine Pointe keinem entging. Ich ließ mich zu einer kurzen, aber durchaus akkuraten Imitation eines kleinen Jungen hinreißen, der von einem Klarinettenmundstück würgen muss.
Und ich war noch mittendrin, als mir dämmerte, dass ich einen echten Fehler begangen hatte, worauf meine Szene mit der imaginären Klarinette genauso in sich zusammenfiel wie jeder Anflug von Humor, den meine kleine Geschichte gehabt haben könnte.
Als ich meinen Mann ansah, stellte ich fest, dass er die Lippen zu einer schmalen Linie zusammengepresst hatte und mich finster musterte. »Wow, das ist ja eine tolle Geschichte, Laurie. Wollen wir gehen, Bennet?«
Mit meiner unbeabsichtigt pornografischen Scharade hatte ich allem Anschein nach alles ruiniert. Dies war die erste Gelegenheit gewesen, einen neuen Kollegen meines Mannes kennenzulernen, und dann so etwas. Ich meine, eine derartige Geschichte einem Studienanfänger aufs Auge zu drücken, okay, aber einem Typen, der mindestens neunzehn Semester auf dem Buckel hatte und noch dazu über Shakespeare forschte? Einmal bin ich sogar während einer Macbeth -Aufführung eingeschlafen, und das, obwohl ich eine der drei Hexen gespielt habe. Ich konnte nur hoffen, dass die beiden direkt hinter der Homeplate saßen und Bennet einen Ball an den Kopf bekam, der ihm zwar keinen größeren körperlichen Schaden zufügte, aber zumindest die Erinnerung an die letzte Stunde vor dem Spiel tilgte.
Wenigstens war ich allein, als im Zuge einer Party bei unserer neuen
Weitere Kostenlose Bücher