Weg da das ist mein Fettnapfchen
Nachbarin meine Illusion zerstört wurde, dass im beschaulichen Eugene lauter unschuldige Kinder lebten. Was bringt man mit, wenn man zu einer Party eingeladen ist, bei der jede Menge Kinder zugegen sein werden? Cupcakes, ist doch klar, oder? Selbst gemachte Cupcakes aus der Schachtel mit einer dicken Schicht Schokocreme und Zuckerstreuseln drauf. Oder etwa nicht? Genau das würden Sie doch auch mitbringen.
Also stand ich mit einem Tablett voller Cupcakes, die ich liebevoll den ganzen Morgen über gebacken und dekoriert hatte, vor der Tür. Dreißig Stück, was, wie ich befürchtete, wohl nicht reichen würde. Ich selbst verputzte schon mal drei, sprich, es blieben siebenundzwanzig für die restlichen Gäste, und bei zehn Kindern, die ebenfalls jeweils drei essen würden, bekämen wir ein Problem mit dem Nachschub.
Ich stellte das Tablett ab und nahm vorsichtig die Alufolie herunter. Die Kinder versammelten sich um mich herum, strahlten beim Anblick des glänzenden Gusses und der fröhlich bunten Streusel und entschieden in Windeseile, welchen Cupcake sie nehmen würden. Ein kleines, etwa achtjähriges Mädchen streckte erwartungsvoll als Erste die Hand vor und wollte gerade Daumen und Zeigefinger um die Köstlichkeit legen, als es sich zu mir umdrehte und fragte: »Sind die auch vegan?«
Zum Glück hatte ich noch nichts zu trinken angeboten bekommen, weil ich sonst womöglich den Inhalt meines Glases quer über das Tablett geprustet hätte.
Stattdessen lachte ich nur. »Gott bewahre, nein!«, antwortete ich mit meiner freundlichsten »Ich-bin-die-nette-Frau-von-nebenan-die-gern-Cupcakes-backt«-Stimme. »Das sind richtige Cupcakes. Die von Betty Crocker, der besten Backmischung, die es gibt.«
Und damit zog das kleine Mädchen die Hand zurück, die so freudig vorgeschnellt war, und senkte zutiefst betrübt den Kopf. »Oh«, sagte die Kleine nur.
Die Mutter trat vor und tätschelte dem Kind den Rücken. »Sie ist Veganerin. Diese Entscheidung hat sie mit drei Jahren für sich getroffen.«
Das ist wohl das Traurigste, was ich je gehört habe. Wie es aussieht, ist dieses Kind nie in den Genuss von Pop Tarts, Coco Puffs oder Fritos gekommen.
»Tut mir leid, dass es nicht die richtigen sind«, sagte die Mutter zu ihrer kleinen Veganerin.
Augenblicklich wandten sich auch die restlichen Kinder ab, als hätte ihnen jemand gesagt, unter dem Guss verberge sich ein Hundehaufen.
Bestimmt denken Sie jetzt: »Waren das wirklich Kinder oder eher Erwachsene, die seit so vielen Jahren keinerlei Proteine oder Calcium zu sich genommen haben, dass sich ihre Knochen in einem fortgeschrittenen Schwundzustand befinden und sie deshalb kleiner sind als Menschen, die anständige Sachen zwischen die Kiemen bekommen?« Denn genau dieser Gedanke kam auch mir in den Sinn. Ich muss zu meiner Schande allerdings gestehen, dass mein Lieblingsessen mit drei Jahren Cotechinata war – das sind Schweineschwartenröllchen mit Knoblauch, Petersilie und Parmesan gefüllt und in Tomatensoße gekocht. Meine Mutter nannte das Ganze schlicht und ergreifend »Haut«. Als ich sie einmal fragte, woraus die »Haut« auf meinem Teller denn bestand, sah sie mich an und sagte wieder nur »Haut«, und als ich es immer noch nicht kapierte, zeigte sie auf ihren Arm und sagte es noch einmal – »Haut« –, als wunderte sie sich, was es daran nicht zu kapieren gab. Ich habe keine Ahnung, was die gute Frau ihrem Veganer-Kind zu essen gibt, aber es hat definitiv Jahre gedauert, bis ich verstanden hatte, was meine Mutter meinte. Und dann, als der Groschen endlich fiel, habe ich natürlich aufgehört, mir »Haut« zum Abendbrot zu wünschen. Ich blieb zwar Frühstücksspeck oder Schinkensandwiches treu, aber mit drei Jahren war ich logischerweise nicht in der Lage, einen Zusammenhang zwischen der Haut auf dem Arm meiner Mutter und meinem Leibgericht herzustellen. Ich will nicht behaupten, dass die Geschichte einer Dreijährigen, die beschließt, Veganerin zu werden, nicht wahr ist, aber hätte dieses Kind zumindest einmal einen echten saftigen, superfluffigen Cupcake mit herrlich dicker Buttercreme darauf probiert, bevor es zu einem so weitreichenden Entschluss kam, mit dem es sechs Jahre später einer netten Nachbarin die Einladung versauen würde, wäre dieser Tag garantiert anders verlaufen. Ich weise lediglich darauf hin, dass der Kleinen möglicherweise nicht sämtliche Informationen vorgelegen haben, als sie dieses fatale Urteil über ein Ei und einen
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