Weg da das ist mein Fettnapfchen
ich schon mehrmals mit Problemen in der Mundregion zu kämpfen gehabt hatte, war ich nicht allzu scharf auf eine Wiederholung. Wegen einer neuen Krone (diese Dinger kosten mittlerweile etwa so viel wie ein vollwertiges Haushaltsgerät, weshalb ich dazu übergegangen bin, sie auch als solche zu betrachten) war ich in der Woche zuvor zweimal beim Zahnarzt gewesen. Er war auch auf die glorreiche Idee gekommen, einen Abdruck für eine Schiene zum Bleichen meiner Zähne anzufertigen – eine Prozedur, die mir nicht nur die längsten fünf Minuten meines Lebens bescherte, sondern mich auch noch gezwungen hatte, mich für meinen ausgeprägten Würgereflex entschuldigen zu müssen. Ich hatte es so satt, dass ständig irgendwelche Leute in meinem Mund herumstocherten, dass ich mir, als ich eines Abends essen war und ein Korb mit Brotsticks vor uns hingestellt wurde, reflexartig die Hand vor den Mund schlug und meine Schultern zu zucken anfingen.
Doch so wenig mich die Aussicht auf eine neuerliche Untersuchung meiner Fresshöhle begeisterte, bereitete mir meine leuchtend grüne Zunge doch gewaltige Sorgen. Die Verfärbung hatte ein paar Tage zuvor angefangen und war mir anfangs kaum aufgefallen. Erst als ich am zweiten Tag einen tiefen Olivton und am dritten Tag braune Flecken bemerkte, griff ich zum Hörer. Ich schrubbte mir die Zunge, gurgelte mit Mundwasser, versuchte es mit Salzlösung und Peroxid. Doch die Farbe sah mit jedem Tag mehr nach Fäulnis und Zersetzung aus, deshalb wollte ich es nicht länger hinauszögern. Ich fürchtete mich sogar davor zu sprechen, aus Angst, meine Zunge könnte mir aus dem Mund flutschen und wie ein toter Fisch vor meinen Füßen landen.
Deshalb können Sie sich bestimmt meine Verärgerung vorstellen, als ich dem Arzt meine Zunge rausstreckte und er meinte: »Hmm. Zeigen Sie das doch mal Ihrer Großmutter.«
»Wie bitte?«, fragte ich, nachdem er den Zungenspatel beiseitegelegt hatte.
»Ihre Großmutter wird das noch von früher kennen. So etwas nennt man Haarzunge. Kam früher häufig vor.«
»Was bedeutet das?«, fragte ich, mittlerweile endgültig in Panik.
»Es bedeutet, dass Sie unter einer sogenannten Haarzunge leiden. Das geht von allein wieder weg. Sie müssen nur ein bisschen Geduld haben und abwarten.«
»Ich will aber nicht abwarten«, widersprach ich und streckte erneut die Zunge heraus. »Verbrennen Sie die Haare eben. Sie haben doch bestimmt eine Fackel oder sonst was.«
»Essen Sie denn ausreichend Ballaststoffe?«, erkundigte er sich.
»Ja.«
»Wie sieht es mit der Peristaltik aus?«, hakte er nach. »Der Stuhl sollte die Konsistenz einer …«
»… reifen Banane haben«, unterbrach ich ihn.
»Hier haben Sie ein Rezept für Kleiemuffins«, sagte er und zupfte ein Blatt aus dem Behälter an der Wand.
Auf dem Heimweg zermarterte ich mir das Hirn, ob ich mit einer Haarzunge leben konnte oder mich vorsichtshalber gleich nach einer Prothese umschauen sollte. Ich wollte dieses Ding nicht in meinem Mund haben. Ich wusste immer noch nicht genau, was es war, woher ich es hatte und wann es wieder weggehen würde.
Den ganzen Tag über war ich völlig von der Rolle. Ich hatte keine Ahnung, wie ich es schaffen sollte, dass ich sie mir nicht nachts im Schlaf abkaute. Bevor ich zu Bett ging, inspizierte ich sie noch einmal im Spiegel. Es war ekelhaft. Ich konnte unmöglich mit dieser braunen Nacktschnecke im Mund schlafen. Ich meine, auf der einen Seite versuchte ich, meine verfärbten Raucherzähne aufhellen zu lassen, und auf der anderen hatte ich diesen braunen Filzteppich im Mund.
In diesem Augenblick ging mir ein Licht auf.
Am nächsten Tag wartete ich. Wartete, wartete, wartete, bis es endlich neun Uhr war, ehe ich zum Hörer griff.
»Praxis Dr. O’Hara«, meldete sich die Sprechstundenhilfe.
»Hi, hier ist Laurie. Ich war kürzlich bei Ihnen«, erklärte ich. »Ich habe eine neue Krone bekommen, und als Dr. O’Hara die Zahnfarbe abgleichen wollte, hatte er so einen Ring mit lauter Zähnen dran, und ich habe ihn gefragt, ob die alle von toten Menschen stammen.«
»Okay …«, sagte die Dame zögernd.
»Ich bin die, die so schrecklich würgen musste«, fuhr ich fort. »Während ich dieses Ding für den Abdruck im Mund hatte.«
»Oh«, sagte sie. »Laurie Notaro. Alles klar. Was kann ich für Sie tun?«
»Ist es möglich, dass das Färbemittel für die Zähne auch die Zunge verfärbt? Zuerst gelb, dann olivgrün und schließlich braun?«
»Ja, natürlich«,
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