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Weg da das ist mein Fettnapfchen

Weg da das ist mein Fettnapfchen

Titel: Weg da das ist mein Fettnapfchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Notaro Laurie
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er mir noch ein Rezept für Kleiemuffins in die Hand, von denen er einen ganzen Stapel in einem Behälter an der Wand aufbewahrte und die er mir bereits bei meinen letzten Besuchen ausgehändigt hatte, als ich ihn wegen einer Grippeimpfung, einer Schwellung am Knie und eines Ekzems konsultiert hatte.
    »Backen Sie sich ein paar Muffins! Ihr Stuhl sollte die Konsistenz einer …«
    »R…«, warf ich ein.
    »Reiiifen Banane haben«, sagte er.
    Ich fand die Bibliothek, die sich noch nicht einmal im Ärztehaus befand, sondern in einem Nebengebäude untergebracht war. Ich öffnete die Tür, hinter der mich fluoreszierendes Licht und eine Art Laden mit Bücherregalen und mehreren Tischen empfing. Das Ganze sah eher nach Antiquariat als nach Bibliothek aus. Aus dem hinteren Teil des Raums drangen Geräusche, und kurz darauf löste sich eine leicht gebeugte Gestalt aus den Schatten, die langsam auf mich zugeschlurft kam.
    Schließlich stand ein hochgewachsener älterer Herr vor mir, dem ich das Rezept reichte, worauf er nickte und lächelte. Er machte den Eindruck, als freute er sich sehr über mein Auftauchen. Ich hatte immer noch keine Ahnung, wieso ich ausgerechnet in einer Bibliothek Tabletten bekommen sollte, aber für ihn schien meine Anwesenheit vollkommen normal zu sein, also fragte ich nicht weiter nach, sondern gehorchte, als er mich bat, ihm in eine Ecke zu folgen.
    Er bot mir einen Platz an einem der Tische an, ehe er ein paar Bücher herbeischleppte, sie vor mir auf den Tisch legte und sich auf den Weg machte, um noch mehr zu holen. Schließlich setzte er sich neben mich, nahm das oberste Buch vom Stapel und schlug es mit den Worten »So sehen kranke Gedärme aus« auf.
    Während der nächsten Stunde betrachtete ich eine Aufnahme nach der anderen – teils mit transparenter Schutzschicht überzogene Illustrationen, teils Fotos von kranken, krebsbefallenen und aufgequollenen Gedärmen. Der alte Mann, der sich als Arzt im Ruhestand entpuppte und wahrscheinlich seit Jahren niemanden mehr in seiner »Bibliothek« hatte willkommen heißen dürfen, freute sich sichtlich über meine Gesellschaft. Es war, als sitze er über einem College-Jahrbuch und präsentiere mir die Beweise seiner Glanzzeiten. Offen gestanden legte der gute Mann so große Freude an den Tag, dass ich es nicht über mich brachte, ihn zu unterbrechen, sondern mit gespielter Begeisterung den riesigen Dickdarm und die Divertikel-Ausstülpungen irgendeines armen Teufels betrachtete.
    Schätzungsweise könnte man sagen, dass wir uns ein wenig anfreundeten, als ich mir all die alten Wälzer ansah und versuchte, mir spannende Fragen auszudenken wie »Also kann ein Bandwurm tatsächlich den Kopf aus dem Hintern eines Menschen stecken?«, oder »Ist es möglich, sich eine Haarspraydose in den After zu schieben, oder hat der Mann meiner Freundin, der Arzt ist und seine Sprechstundenhilfe geschwängert hat, auch in diesem Punkt gelogen?«, und »Erinnern Sie sich zufällig, ob Sie in Harvard jemals so etwas wie ein Furzdiagramm gesehen haben? Offiziell, meine ich?«.
    Ich will nicht behaupten, dass ich die schlimmste Stunde meines Lebens dort unten verbracht habe, aber Höflichkeitsgeisel eines einsamen alten Mannes zu sein und dabei in die Mysterien der menschlichen Exkremente einzutauchen steht nicht gerade an erster Stelle der Dinge, die ich unbedingt noch mal erleben muss. Außerdem konnte er natürlich kein Rezept einlösen, sondern lediglich Bilder in irgendwelchen alten Büchern herzeigen, sodass ich trotzdem zu Safeway fahren, mich in der Schlange anstellen und dem Risiko aussetzen musste, mir irgendetwas Ansteckendes einzufangen. Und genau dieses Erlebnis fiel mir sofort wieder ein, als ich ohne Vorwarnung eine grüne Zunge bekam und sicher war, dass ich an Mundfäule litt oder das gute Stück schlicht und ergreifend überarbeitet war. Ich kriegte Panik und ließ mir den nächstmöglichen Termin am folgenden Tag geben.
    Was mich einiges an Überwindung kostete. Nicht nur, weil ich bei meinem letzten Arztbesuch als Opferlamm in die medizinische Bibliothek geschickt worden war, was mein Vertrauen in die Ausstellung von Rezepten erheblich erschüttert hat – ich meine, ich saß bei einem ausgemusterten Arzt fest, wo ich doch nichts anderes als eine hübsche Schachtel schnell wirkender Schmerzmittel gewollt hatte. Was würde diesmal passieren? Bekam ich anstelle meiner Blutdrucktabletten eine Sitzung bei einem Lebensberater aufs Auge gedrückt? Aber da

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