Weg da, das ist mein Handtuch
eine Frau zu schimpfen: »Es war deine Idee, hierherzufahren. Denkst du, ich habe Bock auf so was? Überhaupt keinen Bock! Nicht die Scheiße Bock!«
Der Kerl vom Empfang wollte gehen.
»Augenblick«, sagte Oliver. »Ist solcher Lärm in dieser Kategorie auch normal?«
»Welcher Lärm?« Unglaublich!
Nebenan stieß die Frau einen schrillen Heuler aus: »Alles musst du immer kaputt machen!«
»Ich, ICH?«, rief eine heisere männliche Stimme. »Du machst alles kaputt! DU! Denkst du, darauf hab ich Bock? Denkst du, das macht mich an?«
Nebenan wurde eine Zimmertür aufgerissen und wieder zugeschlagen.
Oliver hätte nun wirklich Lust gehabt, den Kerl vom Empfang wenn nicht zu teeren und zu federn, dann zumindest zu grillen.
MORITZ
Es war wie immer. Als er an die Rezeption trat, sah ihn die Empfangsdame beiläufig an. Guckte wieder weg. Versteinerte. Guckte mit aufgerissenen Augen wieder zu ihm. Wurde rot. Und stammelte: »Guten Tag, Herr Palmer, so eine Überraschung, das ist ja wunderschön, dass Sie bei uns sind. Wie kann ich Ihnen helfen?«
Fast schade, dass er sie enttäuschen musste.
»Es tut mir leid«, sagte Moritz, »mein Name ist Stefan Schmidt.«
»Stefan Schmidt?«, wiederholte die Rezeptionistin.
»Genau, Stefan Schmidt«, sagte Moritz. »Aus Darmstadt.« Ein leicht negativ besetzter Städtename, der den Namen Stefan Schmidt noch belangloser klingen ließ. Ilka hatte zuerst Pforzheim vorgeschlagen, aber so weit wollte Moritz dann doch nicht gehen.
»Sie sind NICHT Herr Palmer?«
»Wie gesagt, leider nicht«, sagte Moritz. »Es passiert mir aber öfter, dass ich mit ihm verwechselt werde, ich bin sozusagen sein Double. Ohne auch nur einen Euro dafür zu bekommen, leider. Trotzdem habe ich bei Ihnen eine Suite gebucht.«
»Eine Suite? Bei welchem Reiseveranstalter?«
»Bei keinem. Ich reise privat.«
Sehr skeptisch sah sie in den Buchungscomputer. »Ja«, sagte sie dann, überrascht und Ilka sei Dank. »Eine Suite für Herrn Schmidt. Willkommen in unserem Haus, Herr Schmidt, und bitte entschuldigen Sie di e – Verwechslung. Ich hoffe, Sie fühlen sich wohl bei uns!«
Das hoffte er auch. Es gab bessere Unterkünfte auf der Insel. Bis heute früh hatte Moritz noch in Steffens Haus gewohnt. Das man ohne Übertreibung Schloss nennen konnte, mit seinem Hubschrauberlandeplatz und dem Pool in Seegröße. Steffen kam aus der Finanzbranche und hatte wohl das Gefühl, viel nachholen zu müssen. Aber langsam übertrieb er. Nicht nur, dass er seine Yacht gerade zum zweiten Mal verlängern ließ. Auch mit seinen Partys.
Die aktuelle lief seit geschlagenen zweiundsiebzig Stunden. Als Moritz am ersten Abend in sein Gästeapartment kam, war sein Bett besetzt von einem alten Italiener und zwei sehr jungen Marokkanerinnen. Am nächsten Abend lag da ein schluchzendes Model aus Sofia, auf der Wohnzimmercouch schnarchte ein Comedian, auf dem Badfußboden war weißes Pulver, und in der Dusche benutzte ein faltiger Landesbankchef sein Shampoo.
Irgendwann ist man nicht mehr ganz in dem Alter für so etwas. Da will man auch mal schlafen, vor allem, wenn man in ein paar Wochen drehen muss und dafür noch jede Menge Text zu lernen hat.
Moritz rief Ilka an, und die tat ihr Bestes, ein Zimmer aufzutreiben. Aber es war Hauptsaison, die Top-Hotels waren unrettbar ausgebucht, alles, was noch klappte, war die beste Suite in diesem Hotel.
»Achtung, es gibt da Pauschalurlauber«, hatte sie ihn gewarnt.
»Ja und?«, hatte Moritz erwidert. »Die liegen wenigstens nicht in meinem Bett.«
SUSAN
Sie hatte es schon immer gehasst, Koffer auszupacken, aber diesmal hätte sie wirklich jeden Grund gehabt, sich den Mist zu sparen. Obwohl ihr Zimme r – es hatte sogar etwas Meerblic k – hell und freundlich war und keineswegs zum Suizid einlud. Es gab nur Wand- statt Pendelleuchten und weder Vorhänge noch Vorhangstangen. Die Kleiderhaken hinter der Tür waren lächerlich niedrig; wer schaffte es schon, sich aufzuhängen und dabei die Beine bis ans Kinn hochzuziehen? Der Föhn im Bad hatte ein so kurzes Kabel, dass er sich nicht in die Nähe der Wanne bringen ließ, ja, noch nicht mal in die Nähe des Waschbeckens. Diese gerissenen Hoteliers passten gut auf, dass sich niemand mit ihrem Inventar selbst aus dem Leben befördern konnte.
Obwohl: Es durfte sowieso nicht so aussehen. Ihre Eltern würden es leichter ertragen, wenn sie es für einen Unfall hielten. Deshalb hatte sie die Schlaftabletten zu Hause gelassen. Außerdem
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