Weg der Träume
es nicht…«
»Hör auf, mich anzulügen!«, herrschte er sie an. »Wie kannst du dich nur selbst ertragen?«
Unter diesem Satz zuckte sie zusammen, und ihre Stimme versagte fast.
»Du hast alles falsch verstanden, und dir ist sogar egal…«
»Mir ist es egal? Ich bin nicht derjenige, der sich falsch verhalten hat!«
»Ich auch nicht…«
»Und das soll ich dir glauben?«
»Es ist die Wahrheit!«
Und dann stiegen ihr trotz ihres Zorns die Tränen in die Augen.
Miles war einen Moment lang still, aber er zeigte kein Mitgefühl. »Du weißt doch nicht einmal, was Wahrheit ist.«
Damit drehte er sich um und machte die Autotür auf. Er schob Brian hinein und knallte die Tür wieder zu. Dann setzte er sich hinter das Steuer.
Sarah war zu schockiert, um noch etwas zu sagen. Sie sah zu, wie Miles den Motor anließ, auf das Gaspedal drückte und krachend den Gang einlegte. Die Reifen quietschten, und der Wagen schoss im Rückwärtsgang zur Straße.
Miles würdigte sie keines Blickes mehr. Kurz darauf war er außer Sicht.
Kapitel 33
Miles fuhr unkonzentriert. Mal drückte er das Gaspedal bis zum Anschlag durch, dann wieder bremste er hart, als wolle er testen, wie viel er dem Wagen zumuten konnte. Mehr als einmal wurde Brian nach vom geschleudert. Von der Rückbank aus sah er, wie Miles' Kinnmuskeln zuckten. Miles umklammerte das Steuerrad mit beiden Händen und warf immer wieder Blicke in den Rückspiegel zu Brian.
Brian registrierte seine Wut, die sich überdeutlich im Spiegel zeigte, aber gleichzeitig noch etwas anderes, das er nicht erwartet hatte - Leid. Er erinnerte sich daran, wie Miles bei Missys Beerdigung ausgesehen hatte, als er in der Kirchenbank saß und seiner Verzweiflung Herr zu werden versuchte. Brian wusste nicht, ob dieser gequälte Blick diesmal wegen Missy oder Sarah in seine Augen trat - oder wegen beiden.
Aus dem Augenwinkel sah er die Bäume vorüberfliegen. Die Straße beschrieb eine Kurve, und wieder nahm Miles das Gas nicht zurück. Brian stemmte die Füße gegen den Boden und wurde dennoch gegen das Fenster gedrückt. In wenigen Minuten würden sie die Stelle von Missys Unfall passieren.
Die Gemeindekirche zum Guten Hirten lag in Pollocksville, und Bennie Wiggins, der Fahrer des kircheneigenen Lieferwagens, hatte in seiner vierundfünfzigjährigen Fahrpraxis noch nicht einmal einen Strafzettel wegen Geschwindigkeitsüberschreitung bekommen. Darauf war er stolz, aber der Reverend hätte ihn auch ohne diese beachtliche Leistung gebeten, für ihn zu fahren. Freiwillige waren schwer zu finden, besonders wenn das Wetter unfreundlich war, aber auf Bennie konnte man immer zählen.
An jenem Morgen hatte der Reverend Bennie aufgetragen, mit dem Lieferwagen in New Bern ein paar Lebensmittel und Kleiderspenden abzuholen, und Bennie war pünktlich erschienen. Er war hingefahren, hatte eine Tasse Kaffee getrunken und zwei Doughnuts gegessen, während die anderen den Wagen beluden, hatte allen für ihre Hilfe gedankt und sich wieder hinters Steuer gesetzt.
Es war kurz vor zehn, als er in die Madame Moore's Lane einbog.
Er drehte am Radioknopf in der Hoffnung, Gospels zu find en, die ihm den Ruckweg versüßen würden. Obwohl die Straße nass war, nahm er dafür eine Hand vom Steuerrad.
Er konnte nicht ahnen, dass vor ihm, noch außer Sicht, ein anderes Auto frontal auf ihn zuraste.
»Es tut mir Leid«, begann Brian vorsichtig, »ich wollte das alles nicht.«
Beim Klang seiner Stimme schaute Miles wieder in den Rückspiegel. Statt zu antworten, kurbelte er das Fenster herunter. Kalte Luft blies herein. Brian schauerte es, seine offene Jacke flatterte im Fahrtwind.
Miles warf ihm im Rückspiegel einen hasserfüllten Blick zu.
Sarah nahm die Kurve fast so schnell wie Miles, weil sie ihn einzuholen hoffte. Er hatte Vorsprung - nicht viel, ein paar Minuten vielleicht. Als sie eine gerade Strecke erreichte, beschleunigte sie noch mehr.
Sie musste die beiden unbedingt einholen. Sie durfte ihm Brian nicht ausliefern, nicht nach der unbändigen Wut, die sich auf seinem Gesicht abgezeichnet hatte, nicht nach der Geschichte mit Otis.
Sie wollte dabei sein, wenn Miles Brian auf das Revier brachte, aber das Problem war, dass sie nicht wusste, wo es sich befand. Sie kannte die Polizeiwache, das Gericht, sogar das Rathaus, da alles im Stadtzentrum lag. Aber das Sheriffgebäude hatte sie noch nie gesehen. Es musste irgendwo außerhalb der Stadt liegen.
Sie konnte anhalten und anrufen oder in einem
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