Weg der Träume
Telefonbuch nachschauen, aber dadurch verlor sie nur noch mehr Zeit. Wenn es nicht anders ging, würde sie anhalten. Wenn sie ihn in den nächsten Minuten nicht sah…
Werbung.
Bennie Wiggins schüttelte den Kopf. Werbung und immer nur Werbung. Heutzutage brachten sie kaum noch etwas anderes im Radio. Wasserentkalker, Autohändler, Alarmanlagen… nach jedem Lied dieselbe Litanei von Geschäften, die ihre Waren anpriesen.
Plötzlich lugte die Sonne über die Wipfel, und ihre Lic htreflexe auf dem Schnee blendeten Bennie. Er kniff die Augen zusammen und klappte den Blendschutz herunter, wahrend im Radio ein Song ausgeblendet wurde.
Schon wieder Werbung. Diesmal ging es um Lesehilfen für Kinder. Er streckte die Hand aus, um abzuscha lten.
Er merkte nicht, dass der Wagen, während seine Augen noch auf die Anzeige geheftet waren, langsam über die Mittellinie nach links driftete.
»Sarah hat es nicht gewusst«, sagte Brian schließlich in das Schweigen hinein.
Er war sich nicht sicher, ob Miles ihn bei diesem Fahrtwind verstand, aber er musste es versuchen. Dies war zweifellos seine letzte Chance, ohne Zeugen mit Miles zu reden. Jeder Anwalt, den sein Vater für ihn auftrieb, würde ihm raten, kein weiteres Wort mehr zu äußern. Und Miles würde vermutlich aufgefordert werden, sich von ihm fern zu halten.
Aber Miles musste die Wahrheit über Sarah erfahren. Nicht etwa im Hinblick auf eine gemeinsame Zukunft - so wie Brian die Dinge sah, hatten sie keine Chance -, sondern weil er den Gedanken nicht ertragen konnte, dass Miles glaubte, sie habe es von Anfang an gewusst. Er wollte nicht, dass Miles sie hasste. Sarah, gerade Sarah, hatte das nicht verdient. Sie war, anders als Miles oder er, vollkommen unbeteiligt.
»Ich war auf dem College und habe erst an Thanksgiving erfahren, dass Sie mit ihr befreundet sind. Aber von dem Unfall habe ich ihr erst gestern erzählt. Bis dahin hat sie nichts gewusst. Ich weiß, Sie wollen mir nicht glauben…«
»Warum sollte ich?«, fuhr Miles dazwischen.
»Sie hat nichts gewusst«, wiederholte Brian. »Ich würde Sie in dieser Sache nicht belügen.«
»Und in welcher Sache würdest du lügen?«
Brian taten seine Worte sofort Leid, und ihn fröstelte, als er sich seine Antwort vorstellte. Die Beerdigung. Seine Träume. Das Warten auf Jonah vor der Schule. Das nächtliche Spionieren bei Miles zu Hause…
Er versuchte angestrengt, diese Gedanken zu verscheuchen.
»Sarah hat nichts Unrechtes getan«, wich er aus.
Aber Miles ließ sich nicht ablenken.
»Antworte mir«, sagte er. »Wann lügst du? Bei der Sache mit dem Hund vielleicht?«
»Nein.«
»Missy ist dir nicht vors Auto gelaufen.«
»Sie konnte nicht anders. Niemand war schuld. Es ist einfach passiert. Es war ein Unfall.«
»NEIN, DAS WAR ES NICHT!«, donnerte Miles und fuhr herum. Trotz des röhrenden Fahrwindes hallte seine Stimme durch das Wageninnere.
»Du hast nicht aufgepasst und sie überfahren!«
»Nein!«, beteuerte Brian. Er hatte erstaunlich wenig Angst vor Miles. Er war ruhig, als sei er ein Schauspieler, der seinen Text rezitiert. Keine Furcht. Nur völlige Erschöpfung. »Es ist genau so passiert, wie ich es Ihnen erzählt habe.«
Halb nach hinten gewandt, deutete Miles mit dem Finger auf Brian. »Du hast sie umgebracht und bist geflüchtet!«
»Nein - ich habe angehalten und nach ihr geschaut. Und als ich sie gefunden hatte…«
Brian verstummte.
Vor seinem geistigen Auge sah er Missy mit verdrehten Gliedmaßen im Graben liegen. Und ihn anstarren.
Dieser Blick ins Nichts.
»Mir war so schlecht, ich hatte das Gefühl, ich würde auch gleich sterben.«
Brian sah zur Seite. »Ich habe sie zugedeckt«, flüsterte er. »Ich wollte nicht, dass jemand anders sie so sieht.«
Bennie Wiggins hatte endlich ein Lied gefunden, das ihm gefiel. Der gleißende Schnee blendete ihn weiterhin, und er richtete sich starr in seinem Sitz auf, als er merkte, auf welcher Straßenseite er sich befand. Sofort lenkte er den Wagen nach rechts auf die richtige Spur.
Das entgegenkommende Auto war jetzt ganz nahe. Er sah es immer noch nicht.
Miles erschauderte, als Brian die Decke erwähnte, und zum ersten Mal wusste Brian, dass er tatsächlich zuhörte, obwohl er so abweisend wirkte. Brian redete weiter, ohne auf Miles zu achten, ohne auf die Kälte zu achten.
Ohne zu merken, dass Miles' Aufmerksamkeit allein ihm galt und nicht der Straße.
»Ich hätte gleich anrufen sollen, noch in derselben Nacht, als ich nach
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