Weg des Zorns 01 - Die Kriegerin
Geschwindigkeit bewegte - und sie selbst wieder mit der gewohnten Langsamkeit dachte - hinterließ das Gefühl eines mit einem Mal unendlich verkleinerten Horizonts und unendlich verminderter Fähigkeiten.
Doch Alicia blieb nicht allzu viel Zeit, darüber nachzudenken, bevor das krampfartige Erbrechen einsetzte.
Es war genauso schlimm wie beim ersten Mal. Dr. Hyde versicherte ihr, dass der Gebrauch des Tickers keine Langzeitschäden hervorrief, und Alicia glaubte es ihm auch. Die einzige echte Gefahr, die der Ticker barg, war die Abhängigkeit - man konnte wirklich süchtig danach werden! -, und eine der geistigen Qualitäten, auf die sich Major Androniko während des ›Einstellungsgesprächs‹ bezogen hatte, war Alicias äußerst gering ausgeprägte Tendenz zu jeglicher Form des Suchtverhaltens. Doch auch wenn es keine Langzeitnebenwirkungen gab, so reichte ihr doch diese Kurzzeitnebenwirkung schon voll und ganz aus - danach fühlte sie sich, als hätte sich ihr eigener Magen einmal auf links gedreht. Insgeheim fragte sich Alicia, ob man den Brechreiz, den dieses Wirkstoffgemisch unweigerlich hervorrief, vielleicht noch künstlich gesteigert hatte, um den übermäßigen Einsatz des Tickers noch deutlich weniger attraktiv zu machen.
Falls dem so ist, wird's niemand zugeben, dachte sie, während sie würgend den Rest ihres Mageninhalts in die Schüssel spie. Ist ja auch klar, setzte sie den Gedanken fort, während sie sich mit dem Tuch, das Dr. Hyde ihr freundlicherweise reichte, die Lippen abwischte. Wenn die den Brechreiz wirklich künstlich gesteigert haben, dann werden die das bestimmt nicht zugeben, oder?
»Fertig?«, erkundigte sich Hyde.
»Jawohl, Sir.« Sie schob den Deckel auf den Behälter, bevor der Geruch ihres eigenen Erbrochenen ihren Magen dazu animieren konnte, sich erneut zusammenzuziehen; dann stellte sie die Schüssel zurück auf den neben ihr stehenden Sessel und erschauerte.
»Das ist ... wirklich unangenehm«, sagte sie nach kurzem Schweigen.
»Ich sehe, dass Sie zu gepflegter Untertreibung neigen«, gab Dr. Hyde lächelnd zurück. »Auch wenn Sie, und das werden Sie mir jetzt vielleicht nicht glauben, deutlich weniger heftig darauf reagieren als einige andere aus unseren Reihen.«
»Sie machen wohl Witze.« Skeptisch blickte sie ihn an, und er schüttelte den Kopf.
»Nö. Sie scheinen eine ungewöhnlich hohe Toleranz aufzuweisen. Ich frage mich, ob das vielleicht irgendetwas damit zu tun hat, dass Ihr Herr Vater ein Ujvári ist.« Erstaunt blickte Alicia ihn an, und er zuckte mit den Schultern. »Wir suchen schon lange nach dem Faktor, der für die Toleranz dem Ticker gegenüber ausschlaggebend ist«, erklärte er, »und es scheint einige Genotypen zu geben, mit denen sich diese Wirkstoffkombination deutlich besser verträgt. Aus nahe liegenden Gründen hatten wir noch nie sonderlich viele Ujvári im Kader - tatsächlich glaube ich sogar, dass wir einen ›vollständig ausgeprägten‹ Ujvári noch nie in unseren Reihen hatten -, deswegen haben wir natürlich auch keine wirklich zuverlässigen Datensätze über die Empfindlichkeitsverläufe. Außerdem bin ich kein Genetiker, aber nach allem, was ich bislang über die Ujvári-Mutattion mitbekommen habe, scheint diese erstaunliche Widerstandsfähigkeit zumindest teilweise durch Veränderungen in der Hirn- und Blutchemie der Personen erklärbar zu sein, die diese Mutation aufweisen. Und auch wenn man Sie kaum als ›typische‹ Ujvári bezeichnen könnte - was wohl auf den Einfluss Ihrer Frau Mutter auf Ihren Genotyp zurückzuführen sein dürfte -, finden sich bei Ihnen doch einige der chemischen Anomalien, wie sie sich bei der vollständig ausgeprägten Mutation nachweisen lassen. Das ist wirklich faszinierend! Ich hoffe, es stört Sie nicht, wenn ich das so sage.«
»Tut es nicht«, gab Alicia zurück und fragte sich sofort, ob sie damit wirklich die Wahrheit gesagt hatte oder nicht.
»Eigentlich ...«, setzte Hyde den Gedankengang fort und ließ sich wieder in seinen Sessel fallen, »sind Sie in mancherlei Hinsicht faszinierend. Es liegt natürlich in der Natur des Kaders, gerade die Personen anzuziehen, die eben nicht der Norm entsprechen, und so ist jeder von uns in gewisser Hinsicht sehr wohl etwas ›Besonderes‹. Das ist einer der Gründe dafür, dass wir nicht die gleichen Ausbildungstechniken verwenden wie die Marines - oder besser gesagt: Warum wir über diese Techniken hinausgehen. Ich denke, es wäre wohl treffender, zu
Weitere Kostenlose Bücher