Weg des Zorns 02 - Der Zorn der Gerechten
starrte den Sichtschirm an. Sein Gesicht, das stets wirkte, als sei es aus Marmor gemeißelt, war so weiß wie das Haar an seinen Schläfen. Niemand an Bord der Ardent hatte gewusst, was dort auf Ringbolt vor sich ging, bis das Schiff Unterlichtgeschwindigkeit erreicht hatte, doch sämtliche Strahlungszähler spielten verrückt. Wer auch immer für diesen Angriff auf Raphael mit Nuklearsprengköpfen verantwortlich war, hatte die schmutzigsten Gefechtsköpfe eingesetzt, die Admiral Monkoto jemals erlebt hatte, um die ganze Stadt auszulöschen ... und auch Arlen.
Seine dunklen Augen, die als Einziges in seinem reglosen Gesicht Emotionen erkennen ließen - Zorn und Hass - wanderten vom Bildschirm zum Display der Gravitationssensoren. Er hätte das Schiff der Angreifer einholen können. Es wäre eng geworden, obwohl die Frachter die Maximalbeschleunigung dieser Flotte stark einschränkten, denn sein Zerstörer befand sich auf einem falschen Annäherungsvektor - doch er hätte sie einholen können.
Und gegen einen schweren Kreuzer hätte er nicht das Geringste ausrichten können.
Beinahe hätte er es trotzdem versucht, doch dann hatte er sich dagegen entschieden. Er konnte nicht einfach das Leben seiner gesamten Besatzung fortwerfen - oder sein eigenes. Sosehr er diese Schiffe hier auch erwischen wollte, noch wichtiger war es ihm, diejenigen zu erwischen, die diese Schiffe geschickt hatten. Und er würde sie niemals erwischen, wenn er jetzt starb.
Seine Kiefermuskeln spannten sich an, und der Admiral wandte sich vom Display ab. Der letzte Shuttle der Ardent wartete auf ihn, wartete darauf, ihn auf den Planeten hinunterzubefördern, auf dem sein Bruder bei dem Versuch, ihn zu verteidigen, gestorben war. Doch Admiral Simon Monkoto würde zurückkehren, und dann nicht nur mit einem einzelnen Zerstörer.
Das versprach er sich selbst - und er versprach es Arlen. Und seine Miene war ebenso unnachgiebig wie der Zorn in seinem Herzen.
Kapitel 20
Ching-Hai war kaum vierzehn Komma acht Lichtminuten vom F5-Stern Thierdahl entfernt, mit einer Axialneigung von einundvierzig Grad. Zudem war der Planet trocken - sehr trocken -, und sein Atmosphären druck betrug nur drei Viertel dessen von Alterde. Alles zusammengenommen führte es zu etwas, das man nur mit sehr viel Wohlwollen als ›Klima‹ bezeichnen konnte. Alicia fiel wirklich kein einziger vernünftiger Grund ein, warum man sich dafür entscheiden sollte, hier zu leben, und nicht einmal das Imperiale Amt für Galaktographie wusste, warum das tatsächlich irgendjemand getan hatte. Die beste Theorie, die sich in dem offiziellen Handbuch des Amtes fand, lautete, die ursprünglichen Siedler müssten Flüchtlinge entweder aus den Liga-Kriegen oder dem Ersten Rish-Krieg gewesen sein, und sie hatten Ching-Hai für eine derart unwirtliche Welt gehalten, dass sie glaubten, weder das Imperium noch die Sphäre könne daran jedwedes Interesse haben. Das war eine ebenso gute Vermutung wie jede andere, die man nur ersinnen konnte; auf jeden Fall hatten es die Nachfahren jener ersten Siedler nun, etwa vierhundert Jahre später, keinen Deut besser.
Das erklärte vielleicht auch die Einstellung der Einheimischen sämtlichen Gesetzen der Bewohner anderer Welten gegenüber. Irgendwie müssen sie ja für ihren Lebensunterhalt sorgen, und ihr Planet ist ihnen dabei keine allzu große Hilfe, ging es Alicia durch den Kopf, während sie zum Kaffeeautomaten hinüberging und fast geistesabwesend weiter darauf achtete, was die Sensoren des Schiffes ihr meldeten, während Megaira sie in den Orbit einschwenken ließ. Sie waren einige Stunden zu früh, und darüber war Alicia eigentlich recht froh. Von den Gefühlen, die Tisiphone über sie hatte hereinbrechen lassen, hatte Alicia sich mittlerweile wieder erholt - weitestgehend, zumindest -, doch sie war dankbar dafür, noch ein wenig Zeit zu haben, zur Ruhe zu kommen, bevor sie mit Yerenskys Vertreter vor Ort Kontakt aufnehmen musste.
Alicia nahm die Kaffeetasse zum Sichtfenster mit. Tief unter ihr zogen ockerfarbene und gelbe Landmassen vorbei, hin und wieder durchzogen von einem großen See oder einem kleinen Meer. Die ganze Welt wirkte geradezu deprimierend flach, und auf der Nachtseite konnte Alicia nur sehr wenige Lichtquellen erkennen. Der einzige offizielle Raumhafen lag derzeit ziemlich genau in der Mitte der Tagseite des Planeten, doch wer auch immer dort die Verantwortung hatte, machte sich nicht einmal die Mühe, ihr einen Park-Orbit
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