Weg des Zorns 02 - Der Zorn der Gerechten
der Realität ihrer Gäste - und auch zu der Alicias.
Und das war noch nicht alles, was sie hier tat. Es gab keinerlei Eile, und so erkundete sie Fuchiens Erinnerungen bis in den letzten Winkel hinein und speicherte jegliche Fakten ab, die ihnen möglicherweise nützlich sein könnten. Als das Essen sich dem Ende zuneigte, wusste Tisiphone alles, was auch Fuchien wusste, und der Händler war endgültig davon überzeugt, die Besatzung von Captain Mainwaring sei genau das, was er brauchte.
Schließlich hatten alle gegessen, und die gesamte Mannschaft - abgesehen von Tanner - bat darum, sich entschuldigen zu lassen, und kehrte wieder zu ihrer jeweiligen ›Arbeit‹ zurück. Fuchien griff nach dem Glas mit dem Brandy und nippte anerkennend daran.
»Also, Captain Mainwaring, Sie und Ihre Leute entsprechen nicht nur gänzlich meinen Standards, sondern übertreffen in jeglicher Hinsicht selbst meine größten Hoffnungen. Ich denke, wir können wirklich ins Geschäft kommen.«
»Es freut mich, das zu hören.« Alicia lehnte sich in ihrem Sessel zurück, ihren eigenen Brandy in der Hand, und lächelte. Dann deutete sie auf den leeren Sessel, in dem der ›Geist‹ ihrer Zahlmeisterin saß. »Warum ziehen wir beide uns dann nicht zurück, während Ruth und Sondra sich ins Gefecht begeben?«
»Eine ausgezeichnete Idee, Captain.« Fuchien strahlte regelrecht. »Wirklich ausgezeichnet.«
Auf dem Sichtschirm der Kombüse wurde Dewent kleiner und kleiner, während die Megaira zunehmend Beschleunigung aufnahm. Nachdenklich betrachtete Alicia das Display und versuchte, sich ihrer eigenen Emotionen klar zu werden. In ihr gärte eine komplexe Mischung aus Vorfreude, unbändigem Hunger und Furcht - Furcht davor, diese Chance, die sich ihr hier gerade bot, doch noch zu verpfuschen-, und über all dem lag ein Nebel aus reiner Aufregung, während sie Wyvern vor sich sah. Dieses Gemisch aus Emotionen vermengte sich mit immenser Erleichterung darüber, Dewent hinter sich lassen zu können.
Diesen Fuchien mochte Alicia immer noch nicht, aber sie verabscheute ihn auch längst nicht in dem Maße, wie sie das erwartet hatte. Er war ebenso ehrgeizig und credit-gierig wie Jacoby, doch im Gegensatz zu Letzterem war Fuchien nicht gänzlich bösartig. Er wusste, dass seine Geschäftspartner auch mit Drogen handelten, doch er selbst beteiligte sich nicht daran - und wenngleich er vermutete, seine Kontaktleute auf Wyvern würden die Beute dieser Piraten, die in diesem Sektor Angst und Schrecken verbreiteten, an entsprechende Hehler weiterleiten, hatte er selbst doch damit nicht das Geringste zu tun. Er missbilligte dieses Vorgehen sogar - allerdings in geradezu deprimierend milder Form. Andererseits war es wohl unrealistisch, von ihm noch mehr zu erwarten. Er stammte nun einmal von Dewent, und ›Gesetzlosen‹ zu Diensten zu sein, war eben genau das, was man auf Dewent tat. Nach eigenen Begriffen war Lewis Fuchien ein aufrechter, ehrlicher Geschäftsmann, und das vermochte Alicia beinahe schon zu verstehen.
Das war einer der Gründe, warum sie so froh war, diese Welt hinter sich lassen zu können: Sie wollte das überhaupt nicht verstehen! Etwas pragmatischer betrachtet, bedeutete ihr Aufbruch, dass diese Täuschung, die sie und ›ihre Mannschaft‹ aufrechterhielten, nur noch auf einem letzten Planeten funktionieren musste. Nur einer noch, und danach war es Alicia völlig egal, wer nun die Wahrheit kannte, und wer nicht. Sollte die Navy sie doch verfolgen! Tatsächlich würde Alicia es sogar begrüßen, wenn die Verfolgung durch die Navy diese dann zu den Piraten führen würde.
Sie stemmte die Ellenbogen auf die Kante der Konsole, stützte das Kinn in die Handfläche und betrachtete mit nachdenklicher Miene das rasch kleiner werdende Abbild dieser Welt; gleichzeitig gestattete sie ihren Gedanken, in weite Ferne zu wandern: nach Wyvern. Zu dem Planeten Wyvern und einem Mann namens Oscar Quintana, seines Zeichens Lieutenant Commander Defiant.
Auf Wyvern existierte eine sonderbare Form der Aristokratie, für die gewöhnliche Titel wie ›Baron‹ oder ›Graf‹ ohne Bedeutung waren. Die Vorfahren dieser Adeligen waren Offiziere der Navy gewesen - vielleicht kaum mehr als Freibeuter-Überbleibsel aus den Liga-Kriegen, die schon vor Jahrhunderten geendet hatten, aber immerhin Offiziere der Navy-, und der Schiffsname, der an Quintanas Dienstgrad angehängt war, verriet Alicia, dass er einem der Adelsgeschlechter angehörte, die seinerzeit
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