Weg in die Verdamnis
sich darüber, daß ich ihm keine Antwort gab. Irgendwie mußte er seinen Frust loswerden und zischelte mir Flüche ins Ohr, die ich allerdings überhörte. Dafür stellte ich ihm eine Frage. »Wo steckt eigentlich Santerre?«
Daniel gab sich überrascht. Mit einer derartigen Frage hatte er nicht gerechnet. »Santerre?« Sein Lachen klang bellend. »Sehnst du dich so nach ihm?«
»Nein, aber es würde mich interessieren.«
»Er wartet auf dich. Er wartet auf uns, aber vor allen Dingen auf dich. Und er wird dich auf eine bestimmte Reise schicken, darauf kannst du dich verlassen.«
»Die werdet ihr antreten.«
»Aber wir kehren zurück.« Er kam beinahe so nahe an mich heran, daß er mich berührte. »Wir werden durch diese Reise erlöst werden. Ich kann dir leider nicht beschreiben, wie immens unsere Stärke sein wird, aber eines steht fest. Sie wird die eines normalen Menschen bei weitem übersteigen, das kannst du mir glauben.«
»Man kann sich auch irren.«
»Nein, ich nicht!«
Ihm und auch den anderen war nicht zu helfen. Sie hatten ein Leben hinter sich, das als sehr dumpf und bescheiden bezeichnet werden konnte. Ihnen konnte nur etwas Positives passieren. Schlimmer oder tiefer absacken war kaum möglich. Bei ihnen waren Santerres Worte auf verdammt fruchtbaren Boden gefallen. Und den Weg in diese Verdammnis überschauten sie nicht. Santerre würde ihnen ihre Zukunft mit blühenden Farben ausgemalt haben.
Deshalb hatten sie nicht nachgedacht. Allein der Begriff Schwarze Apostel mußte ihnen ein übersteigertes Selbstbewußtsein gegeben haben. Nur wußten sie nicht, was dahintersteckte, daß es unter den Aposteln auch einen Verräter gab, und jemand wie Santerre war diesen verräterischen Weg bereits in der Vergangenheit gegangen.
Wir fielen als Gruppe kaum auf. Es gab immer wieder Menschen auf dem Gelände, die sich zusammengefunden hatten und auch ihren weiteren Weg gemeinsam fortsetzten. Familien waren um diese Zeit nicht mehr zu sehen. Je später es wurde, um so mehr wechselte auch das Publikum. Nicht nur, daß der Strom der Besucher noch stärker ausdünnte, wer sich jetzt zwischen den Buden noch herumtrieb, sah oft nicht besonders vertrauenerweckend aus. Der betrat auch kaum noch ein Fahrgeschäft, wobei ich das erleuchtete Riesenrad mit einschloß, das auf mich wie ein Denkmal wirkte, und sicherlich schlossen die ersten Besitzer bald ihre Fahrgeschäfte.
Anders verhielt es sich mit den Freßbuden und Spielhallen. Da wurden noch immer Geschäfte gemacht, aber sie waren nicht das Herzstück des Praters. Sie gehörten zu einer neuen Generation, das war High-Tech auf historischem Grund und zwischen alten Bäumen.
Das Rad rückte näher. Wegen meiner Größe konnte ich mich gut umschauen, und natürlich hatte ich auch immer wieder an Suko oder Father Ignatius gedacht. Die verabredete Zeit hatte ich nicht einhalten können. Es war dann vereinbart worden, daß wir uns in der Nähe des Riesenrads trafen, und es kam mir nun so vor, als hätten wir da eine hervorragende Eingebung erhalten. Ich rechnete damit, daß Ignatius und Suko eingreifen würden. Sie mußten mich ja sehen, wenn wir kamen.
Zum Greifen nahe lag das Rad vor mir. Nur konnte ich nicht greifen, denn meine Hände waren nach wie vor auf dem Rücken gefesselt. Die Handschellen schnitten mir in die Haut. Man hatte mir das Kreuz ebenso abgenommen wie die Beretta. Beide trug jetzt wieder Daniel bei sich. Die Chance, sie zurückzubekommen, wurde mit jeder Sekunde geringer.
Das Rad drehte sich behäbig und langsam. Jeder Besucher sollte den Ausblick bei seiner Runde genießen können. Immer wieder stand es zwischendurch still, wenn Menschen einstiegen oder die großen Gondeln verließen, in denen sich sogar lange Tische befanden. Ich wußte, daß Gruppen Gondeln für Stunden mieteten, um dort zu feiern, und an Silvester waren sowieso alle ausgebucht. Das Feuerwerk über Wien aus einer Gondel zu betrachten, war ein außergewöhnliches Erlebnis.
Wir hatten bereits den unmittelbaren Bereich des Riesenrads betreten.
Hier konkurrierten keine anderen Fahrgeschäfte. Man hatte dem König des Praters den entsprechenden Platz gegönnt, der ihm auch zustand.
Natürlich hielt ich die Augen offen. Ich suchte Suko und seinen Begleiter.
Weder ihn noch den Father entdeckte ich, die Umgebung war ziemlich leer. Die Menschen, die noch in den Gondeln saßen, stiegen an der anderen Seite aus. Soweit ich erkennen konnte, waren wir die einzige Gruppe, die sich
Weitere Kostenlose Bücher