Weg in die Verdamnis
dicht an mich heran. Ich nahm seinen säuerlichen Schweißgeruch wahr. In den Pupillen funkelte es. »Wir bleiben im Prater«, gab er flüsternd zur Antwort. »Du brauchst keine Sorgen zu haben. Wir führen dich zum Ziel. Santerre wird dich am Riesenrad erwarten…«
***
Und dort warteten auch Ignatius und Suko. Beide waren immer nervöser geworden, je mehr Zeit verstrichen war. Sie konnten kaum ruhig auf der Stelle stehenbleiben, traten von einem Bein auf das andere, schauten sich an, suchten die Gegend ab und hielten sich im tiefen Schatten verborgen, nicht weit von dem kleinen Minigolfplatz entfernt. Hinter ihnen befand sich eine Straße, über die der normale Abendverkehr rollte, aber keiner von ihnen hatte auch nur einen Blick für die Fahrzeuge. Die Geräusche kamen ihnen sowieso vor, als wären sie in einer fremden Welt aufgeklungen.
Natürlich herrschte auch um diese Zeit entsprechender Betrieb. Viele Besucher wollten es sich nicht nehmen lassen, mit der Gondel in die Höhe zu fahren, um einen Blick auf die Stadt bei Nacht zu werfen. Sie lag dann unter ihnen wie eine funkelnde Insel aus Licht, und dieses Schauspiel war an klaren Nächten immer wieder etwas Außergewöhnliches, selbst für die Wiener, die ihre Besucher gern mit in eine der Gondeln nahmen.
»Er wird nicht mehr kommen, Suko«, sagte Father Ignatius. Sein Gesicht zeigte Sorgenfalten, »und wenn er kommt, dann sicherlich nicht freiwillig. Die Falle war da, sie war offen, und John ist leider direkt in sie hineingetappt.«
Suko sagte nichts.
»Warum schweigst du?«
»Weil ich dir recht gebe.«
»Dann haben wir einen Fehler gemacht.«
Der Inspektor seufzte. »Bitte, Father, keine Vorwürfe. John ist kein kleines Kind. Er weiß genau, was er tut, und er weiß auch, was er sich zumuten kann.«
»In der Regel schon«, gab Ignatius zu. »Was mich nur stört ist, daß ich es gewesen bin, der ihn letztendlich hergelockt hat, und ich kann mich noch immer nicht von meinen Visionen trennen. Brennende Gondeln, die wie Flammenboote am Gestänge schaukeln, während hier unten die Leichen auf dem Boden liegen.«
Suko wollte es mit Humor nehmen. »Bist du ein kleiner Nostradamus?«
»Das sicherlich nicht. Aber ich habe Furcht. Sie nagt in mir wie eine Ratte. Dieser Santerre ist ein Monstrum. Er hatte viel Zeit, um seinen Plan zu perfektionieren.«
»Da gebe ich dir recht. Eines allerdings begreife ich nicht. Warum hat er sich gerade Wien ausgesucht, um diese Taten zu begehen? Weißt du darauf eine Antwort?«
»Trotz seines französisch klingenden Namens stammt er aus diesem Land. Er ist Österreicher. Er hat früher in den Bergen gelebt, in Kärnten. Nach seiner Tat ist er dann über die Alpen in Richtung Norden gegangen und muß sich in der Umgebung dieser Stadt niedergelassen haben.«
»Ist er denn nie mehr in den Annalen der Geschichte erschienen?« wollte Suko wissen.
Ignatius hob die Schultern. »Wenn ja, dann ist jedenfalls nichts dergleichen überliefert worden. Es finden sich keinerlei Dokumente, da habe ich auch schon in unseren Archiven nachgeschaut. Es kann natürlich sein, daß man in diesem Land mehr über ihn weiß, aber beschwören möchte ich das nicht, Suko.«
»Verstehe.«
»Jedenfalls ist er hier, und ich habe auch das Gefühl, ihn schon zu spüren.«
»Wie meinst du das?«
»Es ist schlecht zu erklären«, murmelte Ignatius. »Jedenfalls ist es nicht mehr so wie sonst.« Ignatius deutete mit dem Kopf nach vorn. »Er ist in der Nähe, vielleicht schon in der Gondel. Er kann sich auch unter die Zuschauer gemischt haben.«
Suko nickte. Mit seinen Gedanken war er allerdings ganz woanders. Und er sprach sie auch aus. »Ich denke immer mehr darüber nach, es einmal mit einer Fahrt zu versuchen.«
»Du willst in eine Gondel steigen?«
»Ja.«
»Und dann?«
Suko hob die Schultern. »Wäre es Tag, würde ich sagen, daß ich von oben mehr sehen kann. Aber das ist es nicht. Es wird auch keinen Sinn haben, war nur eine Idee.«
»Irgendwann müssen sie hier erscheinen, Suko. Es geht nicht anders, glaub mir. Er wird dafür sorgen, daß sich seine Diener in den Gondeln verteilen. Davon bin ich überzeugt.«
»Und dann?«
»Der Weg in die Verdammnis«, murmelte der Father. »Es ist die einzige Möglichkeit.« Er deutete auf das Riesenrad. »Die Scheiben lassen sich in die Höhe schieben. Sie werden es tun, und sie werden sich von oben zu Boden werfen. Damals sind die Apostel in die Schlucht gefallen, hier wird es ähnlich
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