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Weg mit den Pillen

Weg mit den Pillen

Titel: Weg mit den Pillen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Walach
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Auftreten dieser Ereignisse und Symptome: So wie bei unserem liebeskranken Medizinstudenten Max, der dachte, das geschluckte Tic Tac sei Blausäure, und die Vergiftungssymptome einer Blausäurevergiftung bekam.
    Kultur des Bewusstseins
    Damit sind wir bei einem Anliegen angelangt, das mir besonders am Herzen liegt. Ich nenne es mit Thomas Metzinger »Kultur des Bewusstseins« 41 . Was ist damit gemeint? Wir sahen oben, wie mächtig negative psychologische Vorstellungen und Erwartungen sind. Wir sahen auch, dass Selbstheilungseffekte vor allem durch positive Gedanken, Erwartungen, Hoffnungen und tiefe Entspannung zustande kommen. Der Begriff »Kultur des Bewusstseins« meint nun, dass wir es nicht dem Zufall überlassen sollten, welche Vorstellungen und Gedanken wir in uns hegen und pflegen, sondern dass wir solche Zustände bewusst kultivieren können. Wenn ein Fluch, der im Bewusstsein den Gedanken und die Vorstellung auslöst: »Ich bin verloren«, dazu führt, dass ein Mensch tatsächlich stirbt; wenn der Glaube, Blausäure geschluckt zu haben, obwohl es sich um Traubenzucker handelte, zu Blausäurevergiftungssymptomen führt; wenn die positive Erwartung »Die Blutzufuhr zu meinem Herzen ist wiederhergestellt« zu einem Abflauen der Angina-pectoris-Symptome führt, obwohl die Vorstellung womöglich falsch ist – wenn also unser Bewusstsein so starken Einfluss auf unser körperliches Geschehen hat, dann wird es doch höchste Zeit, dass wir uns dieser Kraft etwas mehr bedienen, finde ich.

    Geht das denn? Sind wir denn Herr über unsere Gedanken und Vorstellungen? Ja und nein. Eher nein als ja, für die meisten Menschen. Wenn wir die Augen schließen und einfach mal für ein paar Momente versuchen nichts zu denken, oder umgekehrt für ein paar Augenblicke etwas ganz Bestimmtes im Bewusstsein zu halten und sonst nichts – ein Bild, einen Namen, ein Wort –, dann werden wir merken, dass uns das nur für sehr kurze Zeit gelingt. Dann springen andere Gedanken und Bilder dazwischen. Wir sind also nicht wirklich Herr über unsere Gedanken und über die innere Bilder-und Vorstellungswelt.
    Es zeigt sich aber, dass Menschen, die systematisch gelernt haben, ihr Bewusstsein zu schulen (zum Beispiel durch Meditation), sehr wohl ihre Innenwelt bis zu einem gewissen Grad kontrollieren und beeinflussen können. Ich habe bereits unsere Metaanalyse erwähnt, bei der wir alle Studien zusammenfassten, welche Achtsamkeitsmeditation im Zusammenhang mit medizinischen Problemen zum Thema hatten. Wir haben dabei einen klinisch bedeutsamen Effekt gefunden, der zehnmal so stark ist wie der Effekt von Aspirin zur Verhütung von Herzinfarkt. 42
    Achtsamkeitsmeditation ist eine bestimmte Meditationsform, die aus der buddhistischen Tradition kommt. Doch Achtsamkeit selbst hat nichts mit Religion zu tun, sondern ist einfach eine psychologische Fähigkeit, nämlich aufmerksam und absichtlich bei der Erfahrung des gegenwärtigen Augenblicks zu verweilen – und dies mit einer wohlwollend-neugierigen Einstellung. Die Übung der Achtsamkeitsmeditation verläuft so, dass man einfach auf seine Atemzüge oder auf Körperempfindungen achtet und beobachtet, was dabei geschieht. Dies fördert die Fähigkeit, sich gleichsam von außen zuzusehen. Damit merken wir zuallererst einmal, was sich in unserem Kopf und Körper abspielt. Diese Meditation vergrößert aber auch unsere Fähigkeit, unseren Geist auf bestimmte Inhalte zu richten und dort zu verweilen (was man landläufig als Konzentration bezeichnet). Allerdings sind Achtsamkeit und Konzentration insofern nicht dasselbe, weil bei der Konzentration der Blick sozusagen eingeengt wird, während er bei Achtsamkeit eher erweitert wird.

    Jedenfalls dürfte der Effekt von Achtsamkeit als therapeutische Maßnahme in der Medizin darauf zurückzuführen sein, dass die Patienten lernen, gewisse Bewusstseinsinhalte zu kultivieren. Sie spüren zum Beispiel, dass sie als Mensch nicht mit ihren Schmerzen identisch sind. Das ändert zwar zunächst nicht unbedingt etwas an den Schmerzen, aber es ändert etwas an dem Gefühl, ihnen ausgeliefert zu sein. Und dieses Gefühl des Ausgeliefertseins ist ein wesentlicher Bewusstseinsinhalt, der den Teufelskreis von Schmerzen, Angst, Erwartung von Schmerzen und noch mehr Schmerzen befeuert. Die Patienten merken auch, dass sie die Wahl haben, manche Gedanken und Ideen einfach loszulassen und dafür andere ins Bewusstsein zu heben. Sie spüren außerdem, dass sie nicht Opfer,

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