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Wege des Herzens

Wege des Herzens

Titel: Wege des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maeve Binchy
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morgen, Ania.«
    »Leb wohl, Marek.«
    In dieser Nacht konnte Ania nicht schlafen, aber das war gut so, denn sie hatte eine Menge zu tun. Zuerst erledigte sie einen großen Stapel Näharbeiten für ihre Mutter, bügelte die Wäschestücke und befestigte an allen einen Zettel mit dem jeweiligen Kundennamen. Dann setzte sie sich hin und schrieb ihrer Mutter einen Brief.
    Meine liebste Mamusia,
    ich bin Dir eine schlechte Tochter gewesen, und das will ich wiedergutmachen. Ich bin so dumm gewesen, Mamusia. Ich habe Liebe gesehen, wo keine Liebe war, und ich habe Worte geglaubt, die nichts als Lügen waren, und ich habe eine Närrin aus mir gemacht.
    Deshalb muss ich weg von hier. Aber ich werde alles wiedergutmachen, Mamusia, glaube es mir, das werde ich. Ich werde zusammen mit Lidia nach Irland gehen. Doch zuerst will ich Dir die ganze Geschichte erzählen. Keine Lügen mehr, Mamusia. Nur die ganze traurige, dumme Wahrheit …
    Der Rest war einfach, und Ania fragte sich, warum sie ihrer Mutter das alles nicht schon viel früher erzählt hatte. Sie packte einen Koffer, den sie mitnehmen wollte, und verstaute den Rest ihrer Kleidung in einem Karton, für den Fall, dass ihre Schwestern etwas davon brauchen konnten. Das grüne Jäckchen, das ihre Mutter mit dem Samt verbrämt hatte, legte sie oben drauf. Damit hatte sie damals Mareks Aufmerksamkeit erregt.
    Auch die emaillierte Brosche in Pink und Weiß, die sie gekauft hatte, um sein Interesse an ihr zu steigern, ließ sie in einem Schächtelchen für ihre Mutter zurück. Kurz bevor es dämmerte, brachte sie ihrer Mutter das Frühstück – warmes Brot mit Honig und Milchkaffee.
    Mamusia richtete sich erfreut im Bett auf.
    »Ich habe doch heute nicht Geburtstag, Ania. Warum die Mühe?«
    »Weil ich den ersten Bus nehmen muss, Mamusia. Lass dir Zeit mit dem Aufstehen. Unten ist so weit alles erledigt.«
    »Du bist die beste Tochter auf der Welt.«
    »Schlaf noch ein bisschen, Mamusia.«
    »Dann bis heute Abend, kleine Ania.«
    »Leb wohl, Mamusia«, sagte sie.
     
    Ania hatte ihr Zimmer geputzt und aufgeräumt, den Umschlag mit ihren Ersparnissen hatte sie auf den Küchentisch gelegt, wo Mamusia ihn später finden würde. Ein letztes Mal sah sie sich im Haus um, ehe sie die Tür hinter sich schloss.
     
    Vom nächsten Ort aus nahm sie den Zug in die Stadt und dann ein Flugzeug nach Dublin. Als sie dort ankam, hatte sie kaum noch etwas von dem Geld übrig, das sie ihrer Mutter schuldete, die von jetzt an ihr Leben ohne sie meistern musste. Und sie – Ania – würde wieder von vorn zu sparen beginnen.
    Irland war wirklich ein reiches Land, in dem es überall Arbeit gab. Lidia hatte sich sehr gefreut, als Ania sie an diesem Morgen angerufen hatte, und ihr eine Adresse genannt, zu der sie fahren sollte. Lidias kleine Wohnung lag über einem polnischen Restaurant. Da Ania eventuell erst spät am Abend eintreffen würde, sollte sie, falls sie, Lidia, nicht da war, unten im Lokal warten und einen Kaffee trinken. Lidia würde sie dort ankündigen.
    Als Ania im Bus saß, der den Flughafen von Dublin verließ, bestaunte sie mit offenem Mund die breiten Autobahnen, die vielen neuen Gebäude und die hohen Kräne, die in den Himmel ragten. Je näher sie dem Stadtzentrum kamen, desto höher und dichter standen die Häuser und Wohnblocks, die alle hell erleuchtet waren. Hunderte von jungen Menschen bummelten durch die breiten Straßen und über die eleganten Plätze. War sie hier in ein Festival oder einen Jahrmarktrummel geraten?
    Ania zeigte den Zettel mit der Adresse mehreren Passanten, die ihr die richtige Richtung wiesen. Bald saß sie in dem polnischen Restaurant, aß einen Teller Suppe und unterhielt sich mit den freundlichen Kellnern.
    Lidia, die in diversen Bars und Restaurants jobbte, würde sicher bald kommen, sagten sie; sie wüssten leider nicht, wo sie heute Abend arbeitete. Als Lidia kam, fielen die beiden Freundinnen einander um den Hals, es flossen Freudentränen, und die Besitzer des Restaurants spendierten den beiden einen Pflaumenschnaps.
    »Wo wirst du arbeiten, Ania?«, fragte sie einer der Kellner.
    »Das weiß ich noch nicht – ich habe immer noch das Gefühl, in Polen zu sein«, erwiderte sie lächelnd.
    »Vielleicht könntest du unsere Kellneruniformen waschen und bügeln!«
    »Oh, es würde mich freuen …«
    »Es würde Ania sehr freuen, wenn ihr immer wie aus dem Ei gepellt ausseht«, fiel Lidia ihr ins Wort.
    »Ja, warum arbeitet ihr zwei eigentlich

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