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Wege des Herzens

Wege des Herzens

Titel: Wege des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maeve Binchy
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nicht für uns?« fragte der Mann mit einem breiten Lächeln.
    »Weil wir nicht den ganzen weiten Weg hätten zurücklegen müssen, wenn wir für eine Bande polnischer Tunichtgute, die jeden Abend einen Eimer Bier in sich hineinschütten, hätten arbeiten wollen. Davon gibt es zu Hause jede Menge«, entgegnete Lidia munter und schob Ania die Treppe hinauf.
    Die Wohnung war klein und eng, aber Ania und Lidia hatten jede ein winziges Schlafzimmer.
    »Du hast keine Mitbewohnerin?«, fragte Ania erstaunt.
    »Nein …«
    »Du warst dir so sicher, dass ich nachkommen würde?«
    »Ja, sobald du dazu bereit warst«, erwiderte Lidia.
     
    Es war nicht schwierig, in Dublin Arbeit zu finden, wenn man bereit war, Böden zu schrubben, Geschirr zu spülen, alte Leute zu pflegen oder im Supermarkt Regale einzuräumen. Aber Anias Englisch war noch nicht gut genug.
    »Geh auf keinen Fall dorthin, wo viele Polen sind. Du lernst nie Englisch, wenn du das machst«, warnte Lidia sie.
    »Vielleicht sollte ich mich an eine Agentur wenden?«
    »Nein, dann bist du den ganzen Tag mit anderen Einwanderern zusammen, und außerdem steckt die Agentur den größten Teil des Geldes ein. Wir werden uns einfach überall umhören. In einem Pub nehmen sie dich nicht – erst wenn du weißt, was ein Stout, ein Lager, ein Ale und ein Black and Tan sind. Man könnte ein Lexikon über die verschiedenen Biersorten und Cocktails in diesem Land schreiben«, sagte Lidia.
    »Danke, dass du mir keine Fragen gestellt hast, Lidia.«
    »Du wirst es mir schon irgendwann erzählen«, erwiderte die Freundin.
     
    Ania schrieb ihrer Mutter jede Woche einen Brief und erkundigte sich nach ihrer Gesundheit und nach ihrem kleinen Neffen. Sie fragte auch nach Mrs.Zak und wollte wissen, ob das mit den Uniformen für Levs Eiscremefabrik funktionierte. Das Café an der Brücke und dessen Gäste und Inhaber erwähnte sie jedoch nie. Stattdessen erzählte sie Geschichten über Dublin und beschrieb den Reichtum, der überall herrschte, die wunderschönen Kleider, die Handtaschen in den Schaufenstern, die ein Vermögen kosteten, die jungen Leute mit ihren eigenen Autos, die sie vor der Schule und der Universität parkten. Es war wie im Film, wie in Hollywood, wurde sie nicht müde zu schreiben.
    Die Briefe, die sie erhielt, riefen in Ania großes Heimweh hervor, auch wenn ihre Mutter Marek und die gelegentlichen Postkarten von ihren Schwestern mit keinem Wort erwähnte. Ania sehnte sich oft danach, wieder in einem kleinen Ort zu leben, wo sie jeden auf der Straße kannte.
    Auch von ihrer Schwägerin Zofia bekam sie einen kurzen Brief.
    Gut gemacht, Ania. Du bist eine sehr mutige junge Frau. Ich bin froh, dass Du diese Entscheidung getroffen hast, und ich hoffe, dass sich für Dich alles zum Guten wendet.
    Und jetzt werde ich Dir ein Geheimnis verraten. Bevor ich Deinen Bruder kennenlernte, war ich mit einem Mann wie Deinem Marek zusammen. Er hat immer nur genommen und nie etwas gegeben. Erst als ich einen guten Mann fand, konnte ich erkennen, wie schlecht der erste war. Dir wird es ebenso ergehen. Viel Glück in einem fremden Land …
    Zofia
    Und in den ersten paar Wochen war es wahrhaftig ein sehr fremdes Land.
    Am Vormittag putzte Ania Büroräume, was bedeutete, dass sie um vier Uhr morgens aufstehen musste. Außerdem arbeitete sie bei einem Friseur, wo sie die Handtücher wusch und die Haare auf dem Boden zusammenfegte. Aber das waren alles nur Aushilfsjobs, wenn jemand in Urlaub oder krank war. Eine feste Stelle musste sie erst noch finden. Wie gern hätte sie sich bei einem Schneider oder auch in einer Reinigung vorgestellt und angeboten, Flick- und Änderungsarbeiten zu übernehmen, aber ihr Englisch ließ noch sehr zu wünschen übrig. Wer würde schon jemanden anstellen, der nur sagen konnte:
Bitte? Entschuldigung? Was haben Sie gesagt?
    Deshalb lernte Ania in jeder freien Minute Vokabeln aus ihrem Sprachführer und nahm am Englischunterricht eines kirchlichen Gemeindezentrums teil. Dort lernte sie auch Father Flynn kennen, für den sie erst die Vorhänge nähte und schließlich auch noch die Hemden bügelte. Jeden Sonntag besuchte sie dort die Messe.
    Selbstverständlich ließ sie sich irgendwann überreden und erledigte auch noch die Bügelwäsche für die Besitzer des polnischen Restaurants.
    Lidia schüttelte nur den Kopf. »Sie werden dich nach Strich und Faden ausnützen, die haben doch selbst kein Geld. Sie werden dir nichts zahlen …«
    Doch sie bezahlten sie

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