Wege des Herzens
vielleicht …«
»Nein, Ania, wirklich vielen Dank, aber nein. Und Eileen war gestern Abend
nicht
zum Essen in meiner Wohnung und auch an keinem anderen Abend zuvor. Sie ist wegen einer dubiosen E-Mail vorbeigekommen, die ich ihr angeblich geschrieben haben soll.«
»Ja, sie hat schon gesagt, dass Sie inzwischen ganz gut mit dem Internet umgehen können und ihr viele Mails schreiben.« Wenn jemand etwas gut gemacht hatte, musste man ihn auch loben, fand Ania.
»Ich habe ihr nie eine E-Mail geschrieben. Aber warum schreie ich eigentlich
Sie
an, Ania? Das ist ein Missverständnis, nichts weiter.«
»Ich weiß, Father Flynn.« Der Blick aus Anias grauen Augen strahlte Freundlichkeit und Anteilnahme aus, das genaue Gegenteil von Eileens starrem Puppenblick aus porzellanblauen Augen.
Irgendwie brachte Brian Flynn den Tag hinter sich, auch wenn das ungute Gefühl nicht weichen wollte.
Tomasz hingegen war vor Freude ganz aus dem Häuschen, als er erfuhr, dass er vor seinen polnischen Landsleuten predigen sollte. Allerdings stellte er sich die Frage, wo er in der Zeit in Dublin wohnen würde; dort schien alles viel zu teuer zu sein. »Du könntest bei mir schlafen«, bot Brian ihm an. »Das Sofa ist ziemlich durchgelegen, aber mit ein paar Kissen wird es schon gehen.« Tomasz hielt das für eine großartige Idee, und sie vereinbarten ein Datum für seinen ersten Einsatz.
Vorab schickte Tomasz Brian ein paar Zeilen über das Thema seiner Predigt. Als Brian die Mail im Internetcafé abholte, erkundigte er sich bei dem Betreiber, ob es möglich war, eine Mail unter einem falschen Absender zu verschicken.
»Nur, wenn man das Passwort kennt«, erklärte ihm der Mann.
So war das also. Aber Brian war sicher, dass außer ihm niemand sein Passwort kannte. Was war passiert? Hatte er tatsächlich in einem Augenblick der Selbstvergessenheit eine Mail an Eileen geschrieben? Verlor er allmählich den Bezug zur Realität?
Father Tomasz war restlos begeistert von dem alten Kopfsteinpflaster und den vielen kleinen Restaurants in Brian Flynns Viertel von Dublin. Zuerst traf er sich mit Johnny und dessen Freund Tim, der in der ambulanten Herzklinik als Wachmann arbeitete, auf ein Bier. Dann machte er einen Rundgang durch das Gemeindezentrum, besprach den Gottesdienst für den nächsten Tag und stärkte sich in einem preiswerten indischen Restaurant, ehe er zu Brian zurückkehrte.
»Schön hast du es hier, Brian, du hast hier alles, was du brauchst«, sagte er bewundernd beim Anblick von Brians Wohnung. Brian spürte einen Kloß im Hals. Das war es, was er hören wollte, nicht, dass er ein bedauernswerter Versager war. Die beiden Männer setzten sich und plauderten angeregt über Rossmore, den Kanonikus, Neddy Nolan, Skunk, Judys neue Buchhandlung und die neuesten Entwicklungen in der Seniorenresidenz »Farn & Heidekraut«.
Gegen Mitternacht erhielt Brian Flynn eine SMS . »Nein, Brian, heute Abend ist es zu spät. Es wäre unklug, noch bei dir vorbeizukommen. Wir treffen uns morgen. Kopf hoch, versuch zu schlafen, sei ein guter Junge und ruf nicht mehr an.« Darunter stand: »In Liebe, Eileen.«
Brian zeigte Tomasz die Nachricht. »Aber ich habe ihr gar keine SMS geschickt«, sagte er verzweifelt.
Bis tief in die Nacht hinein besprachen die beiden Männer das Problem. Tomasz entwarf die wildesten Theorien. Vielleicht hatte Brian durch seine freundliche Art Eileen unbeabsichtigt ermutigt? Doch das erklärte weder diese Mails noch die Textnachrichten, die sie angeblich von ihm erhalten hatte. Möglicherweise war sie eine Weltverbesserin, die den unwiderstehlichen Drang verspürte, andere Menschen ändern zu wollen. Vielleicht fühlte sie sich deswegen berechtigt, seine Wohnung zu inspizieren und kritische Kommentare abzugeben.
Durchaus möglich, aber das erklärte noch immer nicht die vielen SMS .
»Vielleicht ist sie geisteskrank«, mutmaßte Tomasz schließlich.
»Ja, ich denke, das muss es sein«, stimmte Brian ihm traurig zu.
Seufzend gossen sie sich frischen Tee ein.
»Vielleicht solltest du dich mit ihrer Familie in Verbindung setzen«, schlug Tomasz vor.
»Ich glaube nicht, dass sie viel Kontakt hat. Sie hat mal ihren Vater erwähnt, der sie finanziell unterstützt. Sonst redet sie nie über ihre Familie.«
»Lebt sie denn allein?«
»Ja, ich glaube schon.«
»Viel weißt du ja nicht gerade über sie, wie, Brian?«
»Du hast recht, Tomasz, ich weiß wirklich kaum etwas über Eileen.«
Johnny war in der
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